florianpeil.de https://www.florianpeil.de/blog/ Fri, 13 Jun 2025 03:37:32 +0000 de-DE hourly 1 So schützen Sie sich vor Spionage auf Geschäftsreisen https://www.florianpeil.de/blog/so-schuetzen-sie-sich-vor-spionage-auf-geschaeftsreisen/ https://www.florianpeil.de/blog/so-schuetzen-sie-sich-vor-spionage-auf-geschaeftsreisen/#comments Mon, 06 May 2024 12:00:00 +0000 Reisesicherheit Spionage https://www.florianpeil.de/blog/so-schuetzen-sie-sich-vor-spionage-auf-geschaeftsreisen/ Weiterlesen

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Spionage auf Geschäftsreisen ist heute zu einer alltäglichen Bedrohung geworden.

In einer dreiteiligen Blog-Serie beleuchte ich das Phänomen und zeige Wege auf, wie sich Reisende gegen Spionage schützen können.

  • Teil 1 geht der Frage nach, ob Sie ein Ziel für Spione sind und in welchen Ländern die Gefahr besonders hoch ist.
  • Hier in Teil 2 geht es um klassische Spionage-Techniken rund um den Faktor Mensch.
  • Teil 3 befasst sich mit den technischen Aspekten der Spionage.

In den folgenden 5 Minuten lernen Sie 5 Prinzipien kennen, die Ihnen helfen, sich besser gegen Spionage auf Geschäftsreisen zu schützen. 

Unser Ziel besteht darin, Sie zu einem härteren Ziel für Spione zu machen, also zu einem Ziel, an dem sich Spione aller Art die Zähne ausbeißen.

Los geht’s.

Spionage auf Geschäftsreisen: HUMINT und der Faktor Mensch

Spionage wird in Unternehmen häufig noch immer auf „Hacking“, „Cyber Security“ oder „Informationssicherheit“ reduziert, also auf die technischen Aspekte. Diese sind heute zweifellos äußerst wichtig.

Doch die Fixierung allein auf die Technik macht blind gegenüber den klassischen Vorgehensweise der Spionage: der Gewinnung von Erkenntnissen durch menschliche Quellen (human intelligence, HUMINT). Das ist zumindest der Eindruck, den ich gewonnen habe.

Nicht umsonst wird Spionage als das zweitälteste Gewerbe der Welt bezeichnet. So hat bereits Sun Tzu (Sunzi) in seinem Klassiker der Militärstrategie „Die Kunst des Krieges“ dem Einsatz von Spionen ein ganzes Kapitel gewidmet. Das war ca. 500 Jahre vor Christus.

Der Mensch ist und bleibt der Dreh- und Angelpunkt aller erfolgreiche Spionage-Operationen - auch und gerade auf Dienst- und Geschäftsreisen.

Hier sind 5 Prinzipien, die Sie zu einem härteren Ziel machen und Ihnen damit helfen, sich gegen Spionage auf Geschäftsreisen zu schützen. ⬇️

Prinzip 01: Sie müssen die Lage vor Ort kennen

Der erste Schritt zum Schutz vor Spionage auf Geschäftsreisen besteht darin, dass Sie die Bedrohungslage am jeweiligen Zielort kennen. Sie müssen die Akteure kennen und wissen, wie diese Spionage betreiben: Wie könnten Spione konkret an Sie herantreten?

In Teil 1 der Serie habe ich aufgelistet, in welchen Ländern Sie besonders mit Spionage zu rechnen haben. Jetzt geht es darum zu verstehen, welche Akteure vor Ort operieren und welche Taktiken diese nutzen.

Sind es vor allem die Nachrichtendienste des jeweiligen Landes? Ausländische Dienste? Oder Privatermittler, die Wirtschaftsspionage im Auftrag eines Wettbewerbers betreiben?

Nachrichtendienste haben sehr unterschiedliche Fähigkeiten und unterscheiden sich in ihren Vorlieben für bestimmte Vorgehensweisen. Die einen setzen stark auf technische Aufklärung (signals intelligence, SIGINT), andere hingegen nutzen vor allem menschliche Quellen (HUMINT).

Zu den gängigen nachrichtendienstlichen Vorgehensweisen gehören unter anderem

  • Observation
  • Überwachung von Internet und Telekommunikation
  • Durchsuchen von Gepäck und Hotelzimmern
  • Abhörmaßnahmen (Wanzen und Kameras)
  • Gesprächsaufklärung
  • Verhaftungen
  • Honigfallen

All diese Taktiken dienen dazu

  • einen Erstkontakt aufzubauen
  • Informationen direkt zu erlangen („abschöpfen“)
  • belastende Informationen gegen Sie zu sammeln („Kompromat“)

Am Ende wollen Spione Informationen: die auf Ihrer Festplatte oder die in Ihrem Kopf.

Spionage auf Geschäftsreisen Lage

Prinzip 02: Kenntnis nur, wenn nötig

Je mehr Informationen über Sie öffentlich zugänglich sind, desto leichter finden Nachrichtendienste und Wirtschaftsspione Ansatzpunkte für eine Kontaktaufnahme und eine mögliche Rekrutierung.

Im Gegenzug gilt: Je weniger Informationen Sie über sich preisgeben, desto kleiner ist die Angriffsfläche und desto schwerer machen Sie es potenziellen Angreifern.

Hier kommt eines der fundamentalen nachrichtendienstlichen Prinzipien ins Spiel: Kenntnis nur, wenn nötig (engl. need to know).

Beschränken Sie die persönlichen und beruflich sensiblen Informationen, die Sie mit anderen Menschen teilen, auf ein Minimum.

Für den Reisealltag bedeutet das zweierlei:

Kein Oversharing. Ob in Social Media oder im persönlichen Gespräch mit Fremden: Teilen Sie möglichst keine Informationen, die Aufschluss über Ihr Reiseziel, Ihre Pläne und Ihren aktuellen Aufenthaltsort geben. Niemand muss wissen, wann Sie wohin Sie fliegen, in welchem Hotel Sie wohnen und mit wem Sie unterwegs sind.

Wenn Sie unbedingt etwas posten möchten oder müssen, dann tun Sie das zeitversetzt, zum Beispiel nachdem Sie einen Ort bereits wieder verlassen haben.

Geben Sie außerdem keine persönlichen Informationen an folgende Personengruppen:

  • Taxifahrer
  • Rezeptionisten
  • Room Service
  • Kellner
  • Verkäufer
  • Passanten

Es gibt Regionen, wo gefühlt jeder Zweite als Informant für einen Dienst arbeitet. Ich wiederhole daher: Geben Sie keine persönlichen oder sensiblen Informationen an Ihnen nicht gut bekannte Personen weiter - Kenntnis, nur wenn nötig!

Keine Lügen. Gerade in totalitären Staaten wissen die lokalen Nachrichtendienste natürlich, dass Sie da sind und wo Sie sich aufhalten. Sollten diese Interesse haben, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen, dann stehen ihnen dafür zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung.

Der einfachste Weg besteht meist in einer Befragung. Der Vorwand dafür kann zum Beispiel eine Routinekontrolle oder eine vorgeschobene Visumangelegenheit sein.

Hier gilt: Im Umgang mit Behörden strikt bei der Wahrheit bleiben. Keine Lügen! ☝🏻

Erstens gibt es keinen Grund dafür, Lügen zu erzählen, wenn Sie auf Geschäftsreisen sind. Zweitens wird Sie jeder halbwegs geübte Befrager innerhalb von Minuten durchschauen und der Lüge überführen können.

Der Trick, die beiden Prinzipien „Kenntnis nur, wenn nötig“ und „Keine Lügen“ zu vereinen, besteht darin, niemals die ganze Wahrheit zu erzählen.

  • Geben Sie ausschließlich jene Informationen preis, nach denen Sie konkret gefragt wurden - aber kein Wort mehr.
  • Sollte Ihr Gegenüber mehr wissen wollen, dann wird er (oder sie) nachfragen.

Offene Fragen à la „Wie gefällt Ihnen unser Land?“ oder „Wie bewerten Sie Sachverhalt xy?“ lassen sich oft umschiffen, indem man sagt, man wisse nichts darüber und könne das entsprechend nicht beurteilen.

Kenntnis nur, wenn nötig - um Ihren nachrichtendienstlichen Gegenspielern keine Munition für weitere Befragungen oder eine Rekrutierung zu liefern.

Prinzip 03: Keine Gesetze übertreten

Nachrichtendienste suchen stets nach Ansatzpunkten, Hebeln und Druckmitteln bei ihren Zielpersonen. Die Kernfrage lautet: Wie bekommt man eine Zielperson dazu, sensible Informationen an einen fremden Nachrichtendienst weiterzugeben - oder gar langfristig für diesen zu arbeiten?

Eine gängige Methode besonders in totalitären Staaten ist die Verhaftung. Auf diese Weise haben Polizei und Nachrichtendienste Sie in der Hand und können Sie massiv unter Druck setzen.

Übliche Verstöße auf Geschäftsreisen sind

  • Probleme mit Dokumenten
  • Drogenkonsum
  • Prostitution

In vielen Ländern stehen auf den Konsum von Drogen lange Gefängnisstrafen, manchmal sogar die Todesstrafe. Ebenso ist käuflicher Sex offiziell verboten. Dennoch gibt es Prostitution in jedem Land der Welt.

Nach einer Verhaftung spielt es keine Rolle, ob Sie tatsächlich Drogen konsumiert haben oder Ihnen diese untergeschoben wurden. Ebenso ist es egal, ob der Verkehrsunfall fingiert war oder nicht - in Haft haben Sie schlechte Karten und eine miserable Verhandlungsposition. 

Denn jetzt können Spione Sie entweder ausführlich befragen und im Gespräch Informationen abschöpfen - oder Sie so massiv unter Druck setzen, dass Ihnen als einziger Ausweg die Arbeit für einen fremden Nachrichtendienst angetragen wird.

  • Liefern Sie Spionen und Nachrichtendiensten auf Geschäftsreisen keinen Vorwand, um Sie zu verhaften. 
  • Liefern Sie Ihren Gegnern keine Munition, indem Sie Rauschmittel konsumieren. 
  • Meiden Sie Etablissements, wo Sie in kompromittierende Situationen kommen können.

Und damit wären wir bereits beim nächsten Prinzip.

Prinzip 04: Skepsis gegenüber neuen Kontakten

Seien Sie neuen Kontakten gegenüber skeptisch und zurückhaltend - vor allem bei ungewöhnlich positiven Begegnungen.

Wie in Teil 1 der Serie beschrieben sind Menschen auf Reisen in der Regel offener als zuhause. Ohne den ständigen Kontakt zu fremden Menschen wäre eine Reise nicht durchführbar.

Das wissen auch Spione. Sie können eine Geschäftsreise nutzen, um sehr gezielt einen Erstkontakt zu Ihrer Zielperson aufzubauen.

  • Dabei kann es einerseits darum gehen, einen Kontakt aufzubauen, um direkt Informationen im Gespräch abzuschöpfen oder die Zielperson (also Sie) später für eine Zusammenarbeit zu rekrutieren.
  • Eine anderes Ziel kann darin bestehen, belastendes Material gegen Sie zu sammeln, um Sie damit später unter Druck setzen und gefügig machen zu können: ein sogenanntes „Kompromat“. Das können zum Beispiel die oben erwähnten (inszenierten) Gesetzesverstöße sein. 
  • Eine andere und häufig eingesetzte Variante sind sogenannte „Honigfallen“ (engl. honey traps), auch Venusfallen genannt.

Dies ist eine Technik, die auch von Nachrichtendiensten gerne eingesetzt wird. Unter anderem die Dienste Russlands und Chinas nutzen diesen Modus Operandi oft und gerne.

Bei einer Honigfalle geht es entweder darum, kompromittierendes Material zu schaffen, um die Zielperson damit unter Druck zu setzen und zur Kooperation zu zwingen. Dieses Material sind heute vor allem Sexvideos.

Es kann aber auch um den Aufbau einer persönlichen (romantischen) Beziehung gehen, um langfristig Informationen abzuschöpfen.

  • In beiden Fällen sind Männer deutlich anfälliger als Frauen.
  • Klassische Orte der Kontaktaufnahme sind Hotelbars und Nachtclubs, aber auch Messen. 
  • Auch Dating Apps werden von Nachrichtendiensten heute intensiv zur Kontaktaufnahme genutzt.

Seien Sie als Mann also skeptisch, wenn auf Geschäftsreisen plötzlich Ihre Traumfrau in Ihr Leben tritt.

Faustregel: Wenn es zu schön ist, um wahr zu sein - dann ist es nicht wahr.

Geschaeftsreisen Menschen in Hotelbar

Prinzip 05: Keine Spielchen

Das Wichtigste zum Schluss: keine Spielchen.

Ich habe Teilnehmer (meist junge Männer) in meinen Trainings und Briefings erlebt, die so begeistert von der Materie waren, dass sie nur darüber sprechen wollten, wie man Überwachung entdecken und Observanten abschütteln kann.

Das ist hochspannend, keine Frage. Aber es geht nicht darum, Geschäftsreisende zu Jason Bournes auszubilden. Im Gegenteil, das kann Sie gerade in totalitären Staaten in Gefahr bringen.

Denn sollten die lokalen Nachrichtendienste das Gefühl bekommen, sie haben nicht einen Geschäftsreisenden im Visier, sondern einen (schlecht ausgebildeten) Mitarbeiter eines ausländischen Nachrichtendienstes - dann kann Sie das in Teufels Küche bringen. Sie könnten dann wie ein feindlicher Spion behandelt werden, nicht wie ein Geschäftsreisender.

Als Spion alleine in einem fremden, feindlichen Land ist hart. Wesentlich härter ist es allerdings, in einem fremden Land für einen Spion gehalten zu werden.

Sie haben keine Ausbildung für diesen Fall - und keine Ahnung, was Sie tun. Sie sind ohne Notfallplan, ohne Schutz und ohne Unterstützung.

Keine gute Idee.

Bringen Sie sich also nicht unnötig in Gefahr, indem Sie zweifelhafte Tricks anwenden, die Sie mal im Kino gesehen haben. Unterlassen Sie vor allem folgendes:

  • Bleiben Sie nicht vor Schaufensterscheiben stehen, um zu beobachten, wer sich hinter Ihnen befindet.
  • Sollte Ihnen jemand folgen, versuchen Sie nicht, die Person abzuschütteln. 
  • Sollten Sie sich bedroht fühlen, nehmen Sie lieber ein Taxi und fahren zurück ins Hotel.

Verhalten Sie sich wie immer, auch wenn das schwerfällt. Beobachten Sie entspannt Ihre Umgebung, nehmen Sie Auffälligkeiten wie zum Beispiel Überwachung zwar zur Kenntnis, ändern Sie aber Ihr Verhalten nicht. Ihre Beobachtungen melden Sie dann den Sicherheitsbeauftragten in Ihrem Unternehmen (sofern vorhanden) oder fragen den Sicherheitsbeauftragten Ihrer Botschaft um Rat.

Fazit

Spionage auf Dienst- und Geschäftsreisen ist heute allgegenwärtig. Der beste Schutz vor Spionen besteht darin, diesen möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Bereits mit einfachen Methoden können Sie Wirtschaftsspionen und fremden Nachrichtendiensten das Leben schwerer machen. Die 5 Prinzipien geben Ihnen dabei eine erste Orientierung.

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Wenn Sie wissen wollen (oder müssen)

  • wie hoch die Bedrohung durch Spionage an Ihrem nächsten Reiseziel ist
  • mit welchen Akteuren Sie es dort zu tun bekommen könnten
  • wie Sie sich auf die Reise vorbereiten könnten
  • und wie Sie sich vor Ort verhalten sollten

dann habe ich zwei Angebote für Sie:

Threat Briefings: Hier erfahren Sie in nur zwei Stunden alles Relevante über Ihren Zielort und die Bedrohungslage vor Ort.

Training „Sicherheit in totalitären Staaten“: Hier bereiten wir gemeinsam Ihre Reise vor, entwickeln Ihr individuelles Risikoprofil und legen einen Aktionsplan für Ihr Verhalten vor Ort fest.


Fotos: Randy Rooibaatjie / Annie Spratt / Alexander Gamanyuk, alle Unsplash

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Sie sind regelmäßig auf Geschäftsreise oder anderweitig beruflich unterwegs?

Dann sind Sie vielleicht ein interessantes Ziel für Spione.

Spionage auf Geschäftsreisen ist heute eine alltägliche Bedrohung für Mitarbeiter von Unternehmen, politischen Stiftungen und Hilfsorganisationen sowie für Journalisten.

Wenn Sie jetzt denken: „Für Spione bin ich uninteressant, ich weiß doch gar nichts?“, dann sage ich Ihnen: Wahrscheinlich irren Sie sich. 

Das gilt umso mehr, wenn Sie für Unternehmen oder Organisationen aus Deutschland, Österreich, Luxemburg oder der Schweiz auf Reisen sind.

Lesen Sie weiter, dann erfahren Sie

  • wie hoch der Schaden durch Spionage ist
  • welche Unternehmen im Fokus von Spionen stehen
  • warum gerade Reisende besonders gefährdet sind und
  • in welchen Ländern die Gefahr besonders hoch ist.

100 Milliarden Euro Schaden

Unter Spionage versteht man das verdeckte Sammeln von Informationen. Das können sensible persönliche Informationen sein, Wissen über Technologien oder Staatsgeheimnisse.

Wirtschaftsspionage ist die staatlich gelenkte oder unterstützte Spionage durch ausländische Nachrichtendienste.

100 Milliarden Euro: So hoch schätzt die Bundesregierung den Schaden durch Spionage pro Jahr allein für die deutsche Industrie.

Der Schaden durch Cyberangriffe, Spionage, Sabotage und andere Formen der Wirtschaftskriminalität beläuft sich demnach sogar auf rund 206 Milliarden Euro pro Jahr.

  • Knapp acht von zehn Unternehmen sind im Jahr 2023 Opfer solcher Angriffe geworden. 
  • Betroffen sind neben den großen Konzernen vor allem kleine und mittelständische Zulieferunternehmen sowie Forschungseinrichtungen.

Aber Achtung: Diese Zahlen sind beim Thema Spionage jedoch immer mit großer Vorsicht zu genießen.

Viele Spionage-Angriffe bleiben unbemerkt, eben weil sie verdeckt durchgeführt werden. Entsprechend fließen diese nicht in die Statistik ein. Die tatsächliche Zahl der Vorfälle und der betroffenen Unternehmen dürfte daher höher sein.

Viele Unternehmen bemerken die Spionage erst später, zum Beispiel wenn sie auf ausländischen Märkten exakte (und günstigere) Plagiate ihrer eigenen Produkte entdecken. So entstehen Unternehmen durch Spionage konkrete Nachteile durch 

  • Marktverdrängung
  • finanzielle Verluste
  • Reputationsschäden

Dennoch unterschätzen Unternehmen aus dem DACH-Raum die Bedrohung durch Spionage immer noch massiv.

Dabei stehen gerade sie bei fremden Nachrichtendiensten ganz oben auf der Liste der relevanten Aufklärungsziele. Noch immer gibt es hier Hunderte Weltmarktführer, Hidden Champions und innovative Unternehmen, an deren exklusivem Wissen andere Staaten das größte Interesse haben.

Besonders im Fokus fremder Nachrichtendienste stehen dabei Unternehmen aus den folgenden Branchen:

  • Automotive
  • Luftfahrt
  • Chemie
  • Maschinenbau
  • Verteidigung

All diese Unternehmen, vor allem aus Deutschland, dem (ehemaligen) Exportweltmeister, entsenden jedes Jahr Tausende von Mitarbeitern und Expats in die ganze Welt. Hinzu kommt das Personal der politischen Stiftungen und Hilfsorganisationen. 

Und hier kommen Sie ins Spiel.

Geschäftsreisende sind für Spione besonders interessant

Wie tauchen Sie nun auf dem Radar von Spionen auf?

Dafür braucht es nicht viel. 

Es reicht aus, als potenzieller Informationsträger identifiziert zu werden. Und als Mitarbeiter eines Unternehmens aus einer relevanten Branchen gehören Sie automatisch zu diesem Kreis.

Geschäftsreisende sind für Nachrichtendienste deshalb so interessant, weil sie auf Reisen viel verwundbarer sind als daheim. 

Reisende sind verwundbar, denn sie 

  • sind oft allein unterwegs
  • bewegen sich fernab der gewohnten Strukturen und
  • erfahren häufig nur eingeschränkte Unterstützung durch die Zentrale.

Diese Situation bietet Spionen zahlreiche Ansatzpunkte und Hebel für die Ausforschung, Annäherung und die Kontaktaufnahme - all das mit dem Ziel einer Abschöpfung von Informationen oder gar einer Rekrutierung als Agent für einen fremden Nachrichtendienst.

Wer reist, muss offener sein als zuhause. In einer fremden Umgebung haben wir keine bewährte Routine, die uns sicher und kräftesparend durch den Alltag hilft. Der Kontakt zu anderen Menschen ist ein Muss, um in der fremden Umgebung zurechtzukommen. Entsprechend leichter kommt man auf Reisen ins Gespräch: am Flughafen, im Taxi, im Hotel, im Restaurant und natürlich auf Messen und Konferenzen.

Gerade diese internationalen Veranstaltungen sind ein Tummelplatz für Wirtschaftsspione und fremde Nachrichtendienste.

Geschäftsreisen Spione

Hier sind Geschäftsreisende besonders gefährdet

In welchen Ländern sind Geschäftsreisende heute besonders gefährdet?

Fast überall.

Fakt ist: Wirtschaftsspionage macht an Landesgrenzen nicht halt. Fremde Nachrichtendienste operieren überall dort, wo es notwendig ist und die lokalen Verhältnisse dies erlauben.

Entsprechend sind die Dienste in jenen Ländern besonders aktiv, die ein permissives Umfeld bieten, nachrichtendienstliche Aktivitäten also entweder tolerieren (wie z.B. Österreich) oder nur in begrenztem Maße unterbinden, entweder weil dies der politische Wille der jeweiligen Regierung ist und/oder die eigene Spionageabwehr schwach ist (wie in Belgien). 

Viele Länder in Europa bieten ein permissives Umfeld. Dazu gehören neben Österreich und Belgien auch Deutschland und die Schweiz. Entsprechend sind die Hot Spots der Spionage in Europa vor allem folgende Städte:

  • Brüssel
  • Den Haag
  • Genf
  • Berlin
  • Wien

Besonders verwundbar und damit gefährdet sind Geschäftsreisende aber außerhalb Europas: in jenen Ländern, die über starke Nachrichtendienste verfügen und zudem aktiv Wirtschaftsspionage betreiben. Die Spionageabwehr des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) zählt dazu vor allem die folgenden Länder:

  • China
  • Russland
  • Iran
  • Türkei

Auf dem eigenen Boden haben die Dienste ein Heimspiel und können diesen Vorteil voll ausnutzen. Den operativen und rechtlichen Möglichkeiten der Spionage sind gerade in totalitären Staaten kaum Grenzen gesetzt. In diesen Staaten fungieren die Nachrichtendienste als eine Art Allzweckwaffe des jeweiligen Regimes, oft mit nahezu unbegrenzten Befugnissen.

Bei Reisen in solche Länder ist daher besondere Vorsicht geboten. 

Eine Übersicht von Ländern, die Spionage betreiben und Interesse an Ihnen und Ihrem Wissen haben können, liefert die aktuelle „Staatenliste“ des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat (BMI).

Was allerdings gerne übersehen wird: Auch westliche Länder wie Frankreich und die USA betreiben gezielt Wirtschaftsspionage, um die eigene Wirtschaft zu stärken. Sie tun das auch gegen Verbündete, wie spätestens die Enthüllungen von Edward Snowden 2013 bewiesen haben. 

Sind Sie ein Ziel?

Gehören Sie zu der oben beschriebenen Personengruppe?

Dann sind Sie mit großer Wahrscheinlichkeit ein interessantes Ziel für fremde Nachrichtendienste - und damit auf Geschäftsreisen durch Spionage gefährdet.

Wie können Sie sich effektiv gegen Spionage auf Geschäftsreisen schützen?

Das erfahren Sie im nächsten Artikel. 

Im zweiten Teil der Serie zum Thema Spionage auf Geschäftsreisen geht es um die 5 Prinzipien, mit denen Sie Ihren Schutz vor Spionage auf Geschäftsreisen effektiv erhöhen können.

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Fotos: Andrik Langfield & Icarus Chu / Unsplash

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Reisesicherheit: 5 Gründe für Sicherheitstrainings https://www.florianpeil.de/blog/reisesicherheit-5-gruende-fuer-sicherheitstrainings/ https://www.florianpeil.de/blog/reisesicherheit-5-gruende-fuer-sicherheitstrainings/#comments Tue, 13 Feb 2024 06:30:00 +0000 Reisesicherheit https://www.florianpeil.de/blog/reisesicherheit-5-gruende-fuer-sicherheitstrainings/ Weiterlesen

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Sicherheitstrainings für Geschäftsreisende und Expats spielen heute im Rahmen der Vorbereitung auf Auslandsreisen und Entsendungen eine wichtige Rolle in der Reisesicherheit.

Diese Trainings laufen unter verschiedenen Bezeichnungen: 

  • Reisesicherheitstraining
  • Sicherheitstraining Reisesicherheit
  • Sicherheitstraining für Auslandsreisen
  • Sicherheitstraining für Geschäftsreisende
  • Travel Security Training
  • Expat Security Training

Derartige Reisesicherheitstrainings werden in mehreren Varianten und in unterschiedlicher Intensität angeboten: Basis, Intensiv, HEAT.

Basis-Trainings richten sich vor allem an Geschäftsreisende. Sie dauern meist einen Tag und fokussieren sich auf die Grundlagen der Reisesicherheit.

Intensiv-Trainings für Mitarbeiter von NGOs, Hilfsorganisationen und politische Stiftungen dauern üblicherweise zwei bis zweieinhalb Tage. Sie enthalten deutlich mehr praktische Übungen als die Basis-Trainings.

HEAT-Trainings dauern vier bis fünf Tage. Diese Hostile Environment Awareness Trainings (HEAT) sind durch die sehr hohe Anzahl von realitätsnahen Simulationen und Rollenspielen die intensivste Form des Sicherheitstrainings. Sie bereiten auf den Aufenthalt in Kriegsgebieten und anderen Hochrisikoregionen vor.

Reisesicherheit Training Checkpoint

In der Reisesicherheit haben sich alle Varianten des Sicherheitstrainings über die Jahre hinweg in der Praxis bewährt.

Das belegen Erfahrungsberichte ehemaliger Teilnehmer. 

  • Viele erzählen, dass Sie nach einem Sicherheitstraining Risiken erst als solche erkannt haben. 
  • Andere melden sich zurück, nachdem sie Gefahrensituationen unversehrt überstanden haben – und dies auf das Training zurückführen (siehe auch die Mail unten).

Daher sind Reisesicherheitstrainings in immer mehr Unternehmen und Organisationen heute eine wertvolle Komponente der Reisevorbereitung und zur Erfüllung der Fürsorgepflicht - zu Recht.

Oder?

„Sicherheitstrainings bringen nichts!“

Dieser Meinung ist ein geschätzter Kollege von mir. Sein Argument: Was kann man als Teilnehmer an einem oder zwei Tagen schon lernen?

Hier widerspreche ich entschieden. Ich führe seit mehr als zehn Jahren Sicherheitstrainings in den unterschiedlichsten Formaten und Konstellationen durch - und bin zu einer völlig anderen Einschätzung gelangt: 

Gut konzipierte und durchgeführte Sicherheitstraining sind ein wertvolles Instrument, um Menschen auf ihre Einsätze im Ausland vorzubereiten.

Hier sind meine 5 Gründe, wieso Sicherheitstrainings so wertvoll für die Vorbereitung von Mitarbeitern sind:

1. Sicherheitstrainings liefern einen Reality Check

In einem Sicherheitstraining können Teilnehmer prüfen, ob sie eine realistische Vorstellung von der Welt und den Menschen haben:

  • Verstehe ich grob, wie die Welt funktioniert?
  • Verstehe ich, was Menschen antreibt und motiviert?
  • Weiß ich, wie die Verhältnisse an einem Zielort aussehen?
  • Bin ich bereit das zu akzeptieren?
  • Bin ich für neue Erkenntnisse offen?

Mit einem solchen Reality Check können Teilnehmer prüfen, ob Ihre Vorstellungen, Erwartungen (und Ängste) realistisch sind oder nicht. Ein solcher Abgleich legt auch bestehende Wahrnehmungsverzerrungen offen. Das zeigt Grund Nummer Zwei.

2. Sicherheitstrainings sensibilisieren für Risiken und Gefahren

Sicherheitstrainings haben ein klares Ziel: Sie sollen Teilnehmer für Risiken und Gefahren sensibilisieren.

Sensibilisieren heißt, dass die Teilnehmer mitunter zum ersten Mal in ihrem Leben von bestimmten Risiken hören und sich damit bewusst und konkret auseinandersetzen. Je nach Reiseziel können das Carjackings, Entführungen, Verkehrsunfälle, politische Unruhen oder Terroranschläge sein. Sie schnuppern unter professioneller Anleitung in das Thema Sicherheit hinein.

Ein Training ist somit ein wichtiger Impuls. Es ist für viele der erste Schritt in die Welt der Sicherheit. Aber es ist keine fundierte Ausbildung. Eine solche dauert mehrere Wochen bis Jahre. Entsprechend muss die eigene Erwartung an ein Reisesicherheitstraining realistisch sein. 

Reisesicherheit Training Protest

3. Sicherheitstrainings finden die blinden Flecken

Sicherheit ist eine persönliche Sache. Jeder Mensch ist anders. Herkunft, Geschlecht, Aussehen, Ausbildung und Erfahrungen führen zu vollkommen unterschiedlichen Fähigkeiten, Wahrnehmungen und Risikoprofilen (siehe Reality Check).

Entsprechend der eigenen Person und Prägung hat jeder Mensch seine individuellen blinden Flecken. Diese gilt es herauszufinden.

Wie zum Beispiel reagieren Menschen in Stresssituationen?

Ein Klassiker ist das sogenannte „Stresslächeln“. In Gefahrensituationen, zum Beispiel bei Bedrohung mit einer Waffe, lächeln manche Menschen unbewusst. Das wiederum kann Angreifer provozieren und zur Anwendung von Gewalt animieren.

Zu den üblichen blinden Flecken gehören weiterhin verschiedene Wahrnehmungsverzerrungen (engl. bias). Zu den üblichsten gehören die Normalitätsverzerrung (normalcy bias) und die Bestätigungsverzerrung (confirmation bias).

Der Normalcy Bias bringt Menschen dazu, Hinweise auf drohende Gefahren zu ignorieren, zu leugnen oder als nicht relevant abzutun. Dieses Verhalten wird auch als Vogel-Strauss-Effekt bezeichnet.

Der Confirmation Bias ist so etwas wie der „Vater aller Denkfehler“ (Rolf Dobelli). Er sabotiert die persönliche Sicherheit, indem er nur jene Informationen zulässt, welche die eigene Meinung oder den eigenen Standpunkt stützen - auch in gefährlichen Situationen. Alle anderen Informationen ignoriert unser Hirn.

Dieser Denkfehler begegnet mir besonders häufig bei Menschen, die von einer Mission beseelt sind, also zum Beispiel bemüht sind, die Demokratisierung in fernen Ländern voranzutreiben. Diese Menschen haben häufig eine unrealistisch positive Sicht auf die Lage und die Menschen vor Ort.

Ein Sicherheitstraining kann helfen, sich selbst besser kennenzulernen, die eigenen blinden Flecken zu identifizieren und als nicht hilfreich erkannte Verhaltensweisen zu korrigieren.

4. Sicherheitstrainings geben den Teilnehmern Werkzeuge an die Hand

In meinen Sicherheitstrainings gebe ich den Teilnehmern Werkzeuge an die Hand, mit deren Hilfe sie die persönliche Sicherheit erhöhen können. Diese Werkzeuge sind konkrete Fertigkeiten, die jeder Mensch erlernen kann. Zusammen bilden sie eine Art Werkzeugkasten der Sicherheit.

Bei mir sind das vor allem jene Werkzeuge:

Risikoformel. Die Formel hilft, Risiken besser zu verstehen und die eigenen Handlungsmöglichkeiten und Hebel im Umgang mit Risiken und Gefahren zu erken-nen. Im Training lernen die Teilnehmer, die Formel bei der Reiseplanung und in Simulationen anzuwenden.

Situative Aufmerksamkeit (engl. situational awareness) ist ein zentrales Werkzeug in unserem Werkzeugkasten der Sicherheit. Awareness ist unser Gefahrenradar.

Im Training lernen die Teilnehmer, wie sie das eigene Umfeld präzise wahrnehmen. Awareness weist uns nicht nur auf mögliche Bedrohungen hin, sondern verändert auch das für Dritte wahrnehmbare eigene Auftreten. Das macht jeden Menschen zu einem härteren Ziel für Kriminelle und sonstige Angreifer.

OODA-Loop. Der Loop ist das Tool für akute Gefahrensituationen. Er ist die Brücke zwischen Awareness und Action. Dabei handelt es sich um ein mentales Modell, das dabei hilft, Bedrohungssituationen zügig zu erfassen, die eignen Handlungsoptionen zu analysieren, um dann auch unter Stress die erfolgversprechendste Lösung zu finden - und umzusetzen.

Diese Werkzeuge sind drei der 5 Ringe der Sicherheit. Das ist das von mir entwickelte Konzept für persönliche Sicherheit.

Der Gedanke: Jedes Werkzeug wirkt wie ein Schutzring. Mehr Ringe bedeuten ein Mehr an Sicherheit. (Die beiden übrigen Ringe sind Mindset und Low Profile).

5 Ringe der Sicherheit

5. Sicherheitstrainings bieten eine „Stressimpfung“

Praxisorientierte Sicherheitstrainings können eine „Stressimpfung“ (Uwe Füllgrabe) bieten, die mentale Vorbereitung auf Gefahrensituationen, die sodann das Abrufen automatisierter Verhaltensweisen ermöglichen soll.

Intensive Sicherheitstrainings bieten durch viele Simulationen und praktische Übungen die Gelegenheit, die eigene instinktive Reaktion herauszufinden und durch Wiederholung der Übungen andere Reaktionen zu testen, die zur Bewältigung der Situation vielleicht besser geeignet sind.

Menschen ohne Training reagieren instinktiv auf Gefahr und werden dabei von archaischen Mechanismen gesteuert: Flucht, Angriff, Erstarrung. 

  • Das Verhalten in Gefahrensituationen zu trainieren gibt Menschen die Möglichkeit, den eigenen Instinkt kontrollieren zu lernen und alternative Reaktionen zu testen. 
  • Auf diese Weise können Teilnehmer im Laufe der Zeit ein flexibles Verhaltensrepertoire aufbauen.

Ein Sicherheitstraining kann somit Ängste reduzieren helfen und das persönliche Sicherheitsgefühl stärken, indem Teilnehmer auf mögliche Gefahrensituationen vorbereitet werden.

Das berichten zumindest viele Teilnehmer nach einem Sicherheitstraining, wie zum Beispiel hier:

Reisesicherheit Training Mail Mexiko

Natürlich gilt die Einschränkung: Ein Training ist keine Ausbildung, entsprechend reicht ein Training in der Regel nicht aus, um das instinktive Verhalten nachhaltig zu verändern.

Fazit: Sicherheitstrainings kalibrieren das Mindset

Reisesicherheitstrainings sind ein wertvolles Instrument, um Menschen auf Reisen und den Aufenthalt im Ausland vorzubereiten. 

  • Ihr Ziel ist es, Teilnehmer für Risiken und Gefahren zu sensibilisieren.
  • Dazu liefern sie einen Reality Check und helfen die eigenen blinden Flecken offenzulegen. 
  • Außerdem geben sie den Teilnehmern praktische Werkzeuge an die Hand, um mit Risiken und Gefahren künftig besser umzugehen.
  • Die praktischen Übungen und Simulationen bieten zudem eine „Stressimpfung“. Die mentale Vorbereitung auf Gefahrensituationen erweitert die eigenen Handlungsoptionen und kann eine instinktive Reaktion verhindern.

Am Ende ist persönliche Sicherheit eine Frage eines sauber kalibrierten Mindsets

Und genau bei dieser Kalibrierung helfen Sicherheitstrainings.

Sicherheit beginnt im Kopf.

Neugierig geworden?

Hier geht es zu meinen Trainingsangeboten:

Sicherheit im Ausland und auf Reisen

Protective Intelligence Trainings


Fotos und Grafiken: Florian Peil / Michael Haugwitz (Demo)

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Mindset: Sicherheit beginnt im Kopf https://www.florianpeil.de/blog/mindset-sicherheit-beginnt-im-kopf/ https://www.florianpeil.de/blog/mindset-sicherheit-beginnt-im-kopf/#comments Wed, 04 Jan 2023 09:21:00 +0000 Persönliche Sicherheit https://www.florianpeil.de/blog/mindset-sicherheit-beginnt-im-kopf/ Weiterlesen

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Wer wird Opfer - und wer nicht? 

Ich kenne Menschen, die wurden auf einer Urlaubsreise gleich mehrfach überfallen. Andere hingegen bewegen sich jahrelang in Krisengebieten, wo Terroranschläge, Überfälle und Entführungen an der Tagesordnung sind, und dennoch geschieht ihnen nichts. 

Warum ist das so?

Die Viktimologie, eine Teildisziplin der Kriminologie, erforscht die Beziehung zwischen Tätern und Opfern, also den Prozess, wie jemand zum Opfer einer Straftat wird. 

Demnach werden vorrangig Menschen zu Opfern, die sich zu sicher fühlen und Bedrohungen ignorieren; ebenso Menschen, die Warnungen ihres Bauchgefühls ignorieren; und vor allem Menschen, die Unsicherheit ausstrahlen.

Wer die persönliche Sicherheit erhöhen möchte, der sollte also bei sich anfangen. Das wichtigste Werkzeug dafür befindet sich zwischen unseren Ohren: unser Mindset

Es geht darum, die richtigen Stellschrauben im eigenen Kopf zu finden und das eigene Mindset sauber zu kalibrieren. Das ist das Fundament, auf dem alles aufbaut.

Der Begriff „Mindset“ bezeichnet die eigene Geisteshaltung, unsere Einstellungen und Überzeugungen. 

Unsere Haltung hat einen direkten Einfluss auf unsere Sicherheit. Ein sauber kalibriertes Mindset trägt dazu bei, die eigene Sicherheit effektiv zu erhöhen, ob auf Geschäftsreise oder im Krisengebiet.

Ein solches Mindset führt zu einer Psychologie der Stärke. Es funktioniert wie eine gute Antivirus-Software, die Angreifer auf Distanz hält.


Florian Peil Mindset Nahost Chemicals

Sie sind für Ihre Sicherheit verantwortlich

Sicherheit beginnt mit einer Entscheidung. Diese Entscheidung lautet: Sie erklären sich zuständig für Ihre persönliche Sicherheit. Sie übernehmen ab sofort die volle Verantwortung, ohne Wenn und Aber. Wer verantwortlich ist, nimmt die Dinge selbst in die Hand und wartet nicht darauf, dass andere die eigenen Probleme lösen.

Das klingt banal, ist es aber ganz und gar nicht. Für viele Menschen bedeutet eine solche Entscheidung einen Paradigmenwechsel, eine fundamentale Veränderung der eigenen Denkweise. Denn diese Entscheidung verlangt, dass wir zunächst akzeptieren, dass Bedrohungen wie bewaffnete Konflikte, Terrorismus oder Entführungen existieren.

Menschen neigen jedoch dazu, Bedrohungen unbewusst auszublenden. Für viele Menschen ist dieser Schritt unbequem, weil er sie aus der eigenen Komfortzone zwingt. 

Derartige Wahrnehmungsfehler haben eine entsprechend verzerrte Wahrnehmung der Realität zur Folge. Potenzielle Bedrohungssituationen werden dann nicht mehr präzise eingeschätzt. 

Das wiederum erhöht die eigene Verwundbarkeit für Angriffe durch Kriminelle, Terroristen und andere Bedrohungsakteure.

In vielen Ländern ist die Polizei nicht der Freund und Helfer

Wer jedoch darauf setzt, dass Dritte für die eigene Sicherheit garantieren, dem droht unter Umständen ein böses Erwachen, vor allem in jenen Ländern, in denen staatliche Institutionen wie die Sicherheitskräfte personell chronisch unterbesetzt oder korrupt sind. In vielen Ländern der Welt ist die Polizei nicht unser Freund und Helfer, im Gegenteil.

Sobald wir bewusst Verantwortung für unsere persönliche Sicherheit übernehmen, sind wir mental in der Lage, uns mit den konkreten Bedrohungen vor Ort des jeweiligen Reiseziels auseinanderzusetzen. Alle Bedrohungen zusammen ergeben die spezifische Bedrohungslage eines Ortes. Diese gilt es in Erfahrung zu bringen.

Dazu gehört auch, die Quellen dieser Bedrohungen zu kennen, also die potenziellen Täter. Das sind die sogenannten Bedrohungsakteure. Je nach Kontext können dies Kriminelle, Terroristen, Spione, Stalker oder Sexualstraftäter sein.

Ebenso wichtig ist es zu verstehen, wie diese Täter in der Praxis handeln: Wie gehen Kriminelle beispielsweise in Nairobi vor? Welche aktuellen Maschen nutzen Taschendiebe in Istanbul? Wie hoch ist das Risiko von Entführungen in Saõ Paulo – und unter welchen Umständen bin ich ein mögliches Ziel?

Mindset: Sicherheit durch Ausstrahlung

Die kurze Antwort: Sie sind dann ein Ziel, wenn Sie wie eines wirken. Angreifer wählen ihre Opfer sehr gezielt aus. Sie wittern Schwäche wie die Raubtiere. Und wer aussieht wie Nahrung, der wird gefressen.

Wer hingegen um existierende Bedrohungen weiß und bewusst Verantwortung für die eigene Sicherheit übernimmt, hat erfahrungsgemäß nicht mehr die Ausstrahlung eines Opfers – und taucht oft gar nicht erst auf dem Radar von Kriminellen, Terroristen und sonstigen Angreifern auf.

Ein sauber kalibriertes Mindset sorgt so für mehr persönliche Sicherheit. Sicherheit beginnt im Kopf.


Wie Sie Ihr Mindset sauber kalibrieren lernen, dazu mehr in meinem Buch "Die 5 Ringe der Sicherheit"

Dieser Text ist zuerst im BDAE Journal (Januar 2021) erschienen.

Foto: Patrick Schopflin / Unsplash

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So überleben (und vermeiden) Sie Carjackings https://www.florianpeil.de/blog/so-ueberleben-und-vermeiden-sie-carjackings/ https://www.florianpeil.de/blog/so-ueberleben-und-vermeiden-sie-carjackings/#comments Tue, 13 Dec 2022 09:19:00 +0000 Reisesicherheit Persönliche Sicherheit https://www.florianpeil.de/blog/so-ueberleben-und-vermeiden-sie-carjackings/ Weiterlesen

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Carjackings sind eine Form des gewaltsamen Autoraubes. Die Täter sind Kriminelle, die Autos unter dem Einsatz von Waffen in ihre Gewalt bringen, indem sie Fahrer und Insassen zum Aussteigen zwingen, um dann mit dem Auto zu flüchten. Ihnen geht es um das Auto.

Somit sind Carjackings eine Sonderform des Raubüberfalls. Es handelt sich bei um bewaffnete Raubüberfälle in Kombination mit Autodiebstahl. Weil die Täter in rund 90 Prozent aller Fälle Waffen einsetzen, besteht meist eine direkte Gefahr für Leib und Leben.

Das Wort „Carjacking“ setzt sich aus den beiden englischen Worten „Car“ (Auto) und „Hijacking“ (Entführung) zusammen. Journalisten in Detroit/USA hatten den Begriff 1991 geprägt, als die erste Welle dieser damals neuen Variante von Raubüberfällen auf Autofahrer die Stadt in Unruhe versetzte.

Wo mit Carjackings zu rechnen ist

Carjackings sind ein globales Phänomen, kommen also überall auf der Welt vor. Dabei stellt diese Variante des Raubüberfalls eine Gefahr vor allem in fragilen Staaten und Hochrisikogebieten dar, wo die Bedrohung durch Kriminalität besonders hoch ist. 

Besonders häufig ist diese Form des Verbrechens in städtischen Gebieten: Hier finden etwa 93 Prozent aller Carjackings statt.

Die Zahl an Carjackings weltweit nimmt zu. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass viele Autos immer besser gesichert sind, zum Beispiel durch Wegfahrsperren und Alarmsysteme, oder auf bewachten Parkplätzen stehen. Klassische Auto-Diebstähle ohne Überfall funktionieren daher immer weniger.

In Afrika betrifft das gegenwärtig vor allem Südafrika, Mosambik und Kenia sowie Länder in der Sahelzone, darunter Mali, Burkina Faso, Tschad und den Norden Kameruns. In Libyen, Sudan, in Süd-Sudan und sogar im Militärstaat Ägypten ist Carjacking eine Bedrohung, in letzterem allerdings nur im Norden der Sinai-Halbinsel.

In Asien sind Carjackings ein gängiger Modus Operandi im Irak, in Afghanistan, Pakistan, auf den Philippinen bis hin nach Papua-Neuguinea.

In den Amerikas, hier vor allem in praktisch allen Ländern Mittel- und Südamerikas, sind Carjackings eine alltägliche Form der Kriminalität. Die Hot Spots liegen hier aktuell in Mexiko, Honduras, El Salvador, in Venezuela, Peru und Ecuador sowie vor allem in Brasilien.

Aber auch in vielen Städten der USA sind Carjackings zu einer ernsthaften Bedrohung geworden. In den Jahren der Corona-Pandemie, 2020 und 2021, hat die Zahl der Carjackings in den Großstädten der USA dramatisch zugenommen

Demnach liegt Chicago mit rund 1.800 Carjackings allein im Jahr 2021 unangefochten an der Spitze, gefolgt von New York City mit etwa 500 Carjackings - hier waren es vier Mal so viele wie im Vorjahr 2020. 

Das Lagebild ist allerdings unscharf, da keine belastbaren Zahlen für das gesamte Land vorliegen. Das liegt vor allem daran, dass die Polizei erst anfängt, Carjackings als eigenständige Kategorie von Verbrechen zu behandeln und zu erfassen. Das FBI jedenfalls hat bislang Carjackings statistisch nicht separat erfasst.

Carjackings in Deutschland, Österreich und der Schweiz

In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind Carjackings bislang sehr selten und stellen somit keine ernste Bedrohung dar. Erste Berichte über dieses neue Phänomen tauchten Anfang der 1990er Jahre in der Presse auf.

Dennoch kommen Carjackings auch hierzulande vor. Für das Jahr 2015 hat das BKA in Deutschland insgesamt 263 räuberische Angriffe auf Kraftfahrer gezählt. In 31 Fällen davon waren die Täter bewaffnet. Schüsse fielen aber keine. 2019 gab es insgesamt 172 erfasste räuberische Angriffe auf Kraftfahrer. 

Der jüngste Fall ereignete sich im November 2022. Drei junge Männer verprügeln in Brandenburg an der Havel einen Autofahrer und kapern seinen Wagen. Im März 2023 verurteilte das Gericht die Männer zu mehreren Jahren Jugendhaft wegen besonders schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung.

Auch im DACH-Raum ist das Phänomen Carjacking analytisch nur schwer zu erfassen, weil es nicht als eigenständige Kategorie erfasst und mit anderen Delikten vermischt wird. In der Kriminalstatistik des BKA werden Carjackings unter dem Straftatbestand „Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer“ (§316a StGB) geführt.

Carjacker sind Gelegenheitsverbrecher

Carjackings sind im Kern opportunistische Verbrechen. Die Täter lungern in einem bestimmten Gebiet, ihrem Revier, herum und warten auf eine günstige Gelegenheit. Das ist der Tätertypus der sogenannten „Krokodile“.

Die Täter haben damit einen taktischen Vorteil, weil sie das Revier und mögliche Fluchtrouten gut kennen und dort nun aufklären, welche Fahrzeuge für ein Carjacking interessant sind.

Nähert sich ein Auto, das in Marke, Zustand und Wert den Vorstellungen der Kriminellen entspricht, und sind die Verhältnisse günstig, schlagen die Carjacker zu. Günstig bedeutet in diesem Fall, dass die Angreifer die Möglichkeit haben, das Fahrzeug zu stoppen und anschließend damit flüchten zu können.

Somit durchlaufen die Carjacker bei jedem Überfall innerhalb kurzer Zeit alle Phasen des feindlichen Angriffszyklus’.

Dabei operieren Carjacker fast immer in Gruppen. Es gibt also mehrere Täter, auch wenn die Insassen im Fahrzeug vielleicht nur einen Täter wahrnehmen - den, der ihnen die Pistole ins Gesicht hält.


Hijacking Hot Spot Suedafrika

Falsche Zeit, falscher Ort: Wann und wo es am häufigsten zu Carjackings kommt

Carjacker nutzen günstige Gelegenheiten für ihre Tat. Diese ergeben sich immer dort, wo Autos entweder stehen oder die Geschwindigkeit im öffentlichen Straßenverkehr bis auf Schritttempo verlangsamen müssen.

Orte, an denen es statistisch gesehen besonders häufig zu Carjackings kommt, sind vor allem jene, an denen das Auto steht und der oder die Fahrerin mit dem Schlüssel in der Nähe ist. Dazu zählen vor allem

  • Parkplätze
  • Tiefgaragen
  • Tankstellen

Im Straßenverkehr sind vor allem folgende Orte gute Angriffspunkte für Carjacker. Hier stehen die Autos entweder oder müssen ihre Geschwindigkeit stark verlangsamen:

  • Staus
  • rote Ampeln
  • Schlaglöcher

Modus Operandi: Das sind die Maschen der Carjacker

Carjacker haben eine Vielzahl von Tricks und Maschen, mit denen sie Autofahrer zum Anhalten bringen. Diese variieren von Kontext zu Kontext und sind mitunter höchst kreativ. Dazu zählen unter anderem:

  • Zielfahrzeug touchieren
  • Lackierung beschädigen
  • falsche Checkpoints
  • Nägel oder Scherben auf der Fahrbahn platzieren
  • Frau am Straßenrand bittet um Hilfe
  • Eier auf die Windschutzscheibe werfen
  • mit zwei Fahrzeugen in die Zange nehmen

So werden Sie nicht zum Opfer eines Carjackings

In Regionen, in denen Carjackings eine ernste Bedrohung darstellen, sollte es das erklärte Ziel sein, gar nicht erst Opfer zu werden. Das kann gelingen, wenn wir drei Werkzeuge nutzen, um unsere persönliche Sicherheit signifikant zu erhöhen:

Mindset. Don’t be there: Carjackings vermeiden wir am einfachsten dadurch, dass wir nicht im falschen Fahrzeug zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Das setzt voraus, dass wir den lokalen Kontext kennen, in dem wir uns bewegen, und über die Bedrohungslage vor Ort informiert sind. Nur wenn wir die Reviere der „Krokodile“ kennen, können wir ihnen aus dem Weg gehen.

Das wiederum setzt voraus, dass wir bewusst Verantwortung für die eigene Sicherheit übernehmen. Schließlich kommt hinzu, dass wir uns nicht von den eigenen Wahrnehmungsfehlern täuschen lassen, etwa indem wir uns einreden, dass bestimmten Gegenden nicht gefährlich seien, einfach weil die Route durch eine diese Gegenden weitaus kürzer ist als außen herum.

Wissen (Kontext und Bedrohungslage kennen), Verantwortung (für die eigene Sicherheit) und eine präzise Wahrnehmung sind die drei Säulen eines sauber kalibrierten Mindsets. Ein solches Mindset ist der erste von fünf Ringen der Sicherheit.

Situative Aufmerksamkeit. Wenn Sie mit dem Auto unterwegs sind, wenden Sie zu jeder Zeit das Werkzeug der situativen Aufmerksamkeit an. Das bedeutet nichts anderes, als die eigene Umgebung bewusst und präzise wahrzunehmen, und unsere Umgebung dabei nach möglichen Anomalien zu scannen. Das heißt: Augen weg vom Smartphone! Wie das in der Praxis funktioniert, habe ich hier ausführlich beschrieben.

Augen weg vom Smartphone!

Situative Aufmerksamkeit ist die Grundvoraussetzung, um a) gar nicht in Gefahrensituationen zu geraten und b), falls doch, im Bedrohungsfall handlungsfähig zu sein

Low Profile. Low Profile bedeutet, sich so weit wie möglich in die jeweilige Umgebung, in den jeweiligen lokalen Kontext einzufügen, mit dem Ziel, möglichst wenig aufzufallen. Es geht darum, sich möglichst unauffällig zu verhalten; in der Masse eher unterzugehen statt herauszustechen.

Für uns geht es darum, dass Carjacker uns und unser Fahrzeug gar nicht erst als potenzielles Ziel wahrnehmen. Das hängt davon ab, welche Fahrzeuge für Carjacker interessant sind. Das wiederum ist von Kontext zu Kontext unterschiedlich. Hier kommt wieder das oben erwähnte Wissen um die Bedrohungslage ins Spiel.

Sind teure SUV einer bestimmten Marke das bevorzugte Ziel der Carjacker, dann bin ich gut beraten, ein möglichst langweiliges, unauffälliges, durchschnittliches Auto zu fahren. Rauben die Carjacker nach Möglichkeit Toyota Corollas, dann meide ich diesen Fahrzeugtyp. 

Wer die Bedrohungslage kennt und solche Dinge weiß, kann sich bei der Fahrzeugwahl darauf einstellen - und damit das eigene Risiko verringern, Opfer eines Carjackings zu werden.

Carjackings vermeiden: So verhalten Sie sich im Straßenverkehr

Planen Sie Ihre Routen vorab. In Regionen und Städten, in denen ein hohes Risiko durch Carjackings besteht, sind die Hot Spots in der Regel bekannt. Identifizieren Sie diese Hot Spots, zum Beispiel indem Sie Einheimische fragen oder Menschen, die sich vor Ort gut auskennen - und dann meiden Sie diese Hot Spots, indem Sie Routen festlegen, die diese Gegenden umfahren.

Wenn Sie als Expat oder als Mitarbeiter eines Unternehmens oder einer Organisation auf Reisen sind, dann haben Sie vielleicht Sicherheitsprofis, die sich um Ihre Reisesicherheit kümmern und Sie entweder durch die Gegend fahren oder sichere Routen für Sie identifizieren.

Türen verriegeln, Scheiben hoch. Das gilt besonders in gängigen den Hot Spots für Carjackings: im Stau und an Ampeln. Verriegeln Sie die Türen nach dem Schließen und halten Sie im Stau und bei langsamer Fahrt stets die Scheiben geschlossen. Dann können Kriminelle im Vorbeigehen nicht direkt ins Fahrzeug greifen.

Keine Wertsachen im Auto. Noch besser ist es, keine Wertsachen wie Laptops, Smartphones und Bargeld sowie Einkaufstüten offen sichtbar im Auto zu haben. Derartige Gegenstände machen Sie sofort zu einem interessanten Ziel für Carjacker. Wertsachen transportieren Sie ausschließlich verdeckt, idealerweise im Kofferraum.

Abstand halten. Unterwegs in zähfließendem Verkehr, in Staus und wann immer Sie Ihr Auto stoppen müssen - halten Sie mindestens so viel Abstand zum Fahrzeug vor Ihnen, dass Sie dessen Reifen auf der Fahrbahn noch sehen können. Das sollte ausreichend Platz bieten, um im Falle eines Angriffs ausweichen und losfahren zu können, vorausgesetzt, man bedroht Sie nicht direkt mit einer Schusswaffe (mehr dazu weiter unten), und ein befahrbarer Fußweg oder Seitenstreifen vorhanden ist.

In gefährlichen Gegenden nicht alleine fahren. In Gegenden, in denen das Risiko eines Carjackings hoch ist, seien Sie besser nicht solo unterwegs. Bei rund 92 Prozent aller Carjackings war das Opfer unbegleitet im Fahrzeug. Einzelfahrer sind für Carjacker ein leichteres Ziel als ein vollbesetzter Wagen.

Stoppen Sie nicht bei Unfällen. In jenen Ländern mit einem hohen Carjacking-Risiko empfiehlt es sich, bei Unfällen nicht anzuhalten, sondern im Gegenteil das Weite zu suchen (siehe oben), wenn das Risiko eines fingierten Ereignisses besteht. Carjacker versuchen dabei, Autofahrer zum Anhalten zu bringen, indem sie an die Hilfsbereitschaft der Autofahrer appellieren.

Parken Sie nur an bewachten und gut beleuchteten Parkplätzen. Carjacker operieren besonders gerne an dunklen und wenig belebten Orten. Parken Sie Ihr Fahrzeug nach Möglichkeit in gut beleuchteten und belebten Gegenden. Vermeiden Sie es, neben großen Lieferwagen oder hinter Säulen und in Ecken zu parken, die die Sicht von Zeugen verdecken. Ziel ist es, an einem Ort zu parken, an dem viele Menschen Sie sehen können.


Carjacking in Suedafrika

Der Ernstfall: So überlebt man ein Carjacking

All diese Maßnahmen helfen, das Risiko signifikant zu verringern, Opfer eines Carjackings zu werden. Aber manchmal hat man einfach Pech und ist trotzdem zur falschen Zeit am falschen Ort.

Wie also verhält man sich also bei einem Carjacking mit bewaffneten Tätern?

Unser Ziel ist es, diese Gefahrensituation nicht nur zu überleben, sondern mental und körperlich möglichst unbeschadet zu überstehen.

In der Praxis haben sich für den souveränen Umgang mit Gefahrensituationen folgende drei Grundsätze bewährt:

Leben und Gesundheit vor Besitz. Eine im Grunde banale Einsicht, die aber vielen abhanden kommt, sobald sie in einer ernsten Gefahrensituation sind, die Stresshormone den Körper fluten und das klare Denken abschaltet: Leben und Gesundheit gehen vor Besitz. Autos und Wertsachen lassen sich ersetzen, das eigene Leben und die eigene Gesundheit nicht.

Überlassen Sie den Carjackern das Auto. Akzeptieren Sie daher, dass derjenige, der gerade eine Waffe auf Sie richtet, im Moment einfach die besseren Argumente hat. Folgen Sie also der Anweisung, wenn man Sie unwirsch auffordert, auszusteigen und überlassen Sie das Auto den Tätern. (Und nehmen Sie nicht aus Gewohnheit den Schlüssel mit.)

Treffen Sie Ihre Entscheidung vorher. Sein Auto einfach irgendwelchen Kriminellen zu überlassen, widerstrebt den meisten Menschen. Unser Ego funkt hier dazwischen. Aus meinen Sicherheitstrainings weiß ich, dass viele Menschen den starken Impuls spüren, sich zu wehren oder mit dem Auto zu flüchten.

Tun Sie das nicht. Auch die Täter stehen unter hohem Stress, und sie sind bewaffnet. Eine unbedachte Handlung von Ihnen könnte sie dazu verleiten, die Schusswaffe gegen Sie einzusetzen.

Sie müssen die Entscheidung, wie Sie sich in der Situation eines Carjackings verhalten werden, also vorher festlegen. In der Situation folgen Sie dann lediglich Ihrem eigenen Protokoll, ohne dieses erneut zu hinterfragen.

Deswegen ist es so wichtig, die lokale Bedrohungslandschaft zu kennen. Nur wenn Sie wissen, was grundsätzlich passieren kann, sind Sie in der Lage, sich mental darauf einzustellen und vorzubereiten.

Ohne mentale Vorbereitung droht die Paralyse.

Halten Sie die Bedrohungszeit kurz. Carjackings dauern im Schnitt nicht länger als 30 Sekunden (!). Die Opfer sind aufgrund fehlender situativer Aufmerksamkeit und mentaler Vorbereitung oft so perplex, dass sie erst nach der Tat verstehen, was gerade passiert ist.

Das ist im Sinne der persönlichen Sicherheit positiv. Wer schnell reagiert und nach dem Grundsatz handelt, dass Leben und Gesundheit vor Besitz gehen, der trägt dazu bei, die Gefahrensituation schnell zu beenden. Je kürzer die Bedrohungszeit ist, desto weniger kann schiefgehen. Eine kurze Bedrohungszeit verringert damit das Risiko, bei einem Carjacking Schaden zu nehmen. 

Fazit

Carjackings als Form des gewaltsamen Autoraubes sind ein globales Phänomen. Eine häufige Bedrohung sind sie besonders in fragilen Staaten, vor allem in städtischen Gebieten. 

Mithilfe der drei Werkzeuge Mindset, situative Aufmerksamkeit und Low Profile lässt sich das Risiko signifikant senken, Opfer eines Carjackings zu werden. 

Sollten Sie dennoch einmal in eine solche Gefahrensituation kommen, dann wissen Sie, nach welchen drei Grundsätzen Sie handeln sollten.


Wie Sie die Werkzeuge Mindset, situative Aufmerksamkeit und Low Profile in der Praxis anwenden, dazu mehr in meinem Buch "Die 5 Ringe der Sicherheit"

Und: Wenn Sie das gerne einmal praktisch üben wollen: In meinen Sicherheitstrainings haben Sie die Gelegenheit dazu.


Fotos: Shutterstock / Wikimedia Commons / Youtube

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Wie man feindliche Aufklärung erkennt https://www.florianpeil.de/blog/wie-man-feindliche-aufklaerung-erkennt/ https://www.florianpeil.de/blog/wie-man-feindliche-aufklaerung-erkennt/#comments Wed, 23 Mar 2022 22:35:00 +0000 Intelligence https://www.florianpeil.de/blog/wie-man-feindliche-aufklaerung-erkennt/ Weiterlesen

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Kriminelle Angriffe und Terroranschläge kommen nie aus heiterem Himmel. Jedem Angriff geht immer eine Phase der feindlichen Aufklärung voraus.

Diese Aufklärung oder Ausspähung ist ein essentieller Teil jeder Tatvorbereitung von Bedrohungsakteuren wie Kriminellen, Terroristen, Extremisten, Aktivisten und Spionen.

Denn um das jeweilige Vorhaben auf Unternehmen, Organisationen oder Personen erfolgreich in die Tat umsetzen zu können, müssen Angreifer ihre Überfälle, Anschläge oder Aktionen sauber planen und vorbereiten. 

Dies wiederum gelingt nur, wenn sie im Vorfeld präzise und detaillierte Informationen über das jeweilige Zielobjekt oder die jeweilige Zielperson gewinnen.

Wer in der Lage ist, feindliche Aufklärung (engl. hostile reconnaissance bzw. hostile surveillance) frühzeitig zu erkennen, kann den Angriffszyklus der Bedrohungsakteure bereits in der Planungsphase durchkreuzen und auf diese Weise Angriffe verhindern (engl. surveillance detection) - eine Schlüsselkompetenz für Sicherheitsprofis.

Warum Angreifer ihre Ziele ausspähen (müssen)

Bei der Planung und Vorbereitung von Angriffen folgen alle Bedrohungsakteure dem feindlichen Angriffszyklus. In den Phasen 01 (Zielauswahl) und 02 (Planung und Vorbereitung) dieses Zyklus’ stehen Angreifer vor der Herausforderung, sehr spezifische und präzise Informationen über ihr Ziel sammeln zu müssen.

Im Kern geht es dabei darum, die bestehende Sicherheitsmaßnahmen am Objekt bzw. der Zielperson auszuspähen und mögliche Schwachstellen zu identifizieren.

Welche Informationen für die Tatvorbereitung konkret benötigt werden, hängt dabei von den Zielen und dem jeweiligen Modus Operandi der Täter ab. Dabei gilt die Faustregel: Je komplexer die Tat, desto detaillierter und präziser müssen die Informationen sein.

Die Planung eines Kidnappings ist komplexer als ein simpler Taschendiebstahl und verlangt dementsprechend umfangreichere und präzisere Informationen, um erfolgreich durchgeführt werden zu können.

Während es für die Planung eines Taschendiebstahls nur wenige Minuten brauchen mag, dauert die Planungsphase eines von Kidnappings häufig bedeutend länger. Die Planung und Vorbereitung der Entführung von Jan Philipp Reemtsma im Jahre 1996 zum Beispiel dauerte rund zehn Monate.

Angreifer sind während der Aufklärung verwundbar

In der ersten Phase des Angriffszyklus, der Zielauswahl, lassen sich viele Informationen mittels einer Internet-Recherche beschaffen. 

Kartendienste wie Google Maps oder Bing Maps zum Beispiel liefern (zumindest in urbanen Räumen) immer häufiger präzise Informationen über Gebäude, ihre Lage und Umgebung, Zugänge und mögliche Fluchtwege. 

Angreifer können auf diese Weise einen ersten Eindruck vom Ziel gewinnen - risikolos vom Schreibtisch oder Sofa aus.

Sehr schnell ist aber der Punkt erreicht, an dem die Angreifer Informationen für ihre weitere Planung benötigen, die so detailliert sind, dass sie nur vor Ort gewonnen werden können. 

Dazu müssen sich die Täter wiederholt und über einen längeren Zeitraum hinweg in unmittelbarer und physischer Nähe zum Zielobjekt oder der Zielperson aufhalten, mit einer direkten Sichtachse auf ihr Zielobjekt oder ihre Zielperson.

Bei der Planung einer Entführung zum Beispiel müssen die Täter herausfinden, welche Routinen und Gewohnheiten ihre Zielperson hat. Dabei geht es darum, den geeigneten Ort und den richtigen Zeitpunkt herauszufinden, um das Kidnapping erfolgreich und mit vertretbarem Risiko für die Entführer durchzuführen. Die Angreifer müssen der Zielperson also über einen gewissen Zeitraum folgen, um ihre übliche Routinen und Routen zu recherchieren.

Diese Phase der feindlichen Ausspähung macht die Angreifer jedoch selber verwundbar. Die Notwendigkeit zur physischen Anwesenheit exponiert die Angreifer.

Und hier setzt das Werkzeug der Gegenaufklärung an.


feindliche aufklärung erkennen

Gegenaufklärung stört die feindliche Aufklärung

Gegenaufklärung bedeutet, feindliche Ausspähung bzw. Aufklärung systematisch zu identifizieren - und bei Bedarf gezielt zu stören.

Auf diese Weise ist es möglich, den feindlichen Angriffszyklus in den Phasen 01 (Zielauswahl) und 02 (Planung und Vorbereitung) gezielt zu durchkreuzen. In der Regel kommt es dann nicht zur Tat, weil die Täter diese nicht sauber vorbereiten können. 

Kriminelle Angriffe, terroristische Anschläge und sonstige Gewalttaten lassen sich durch Gegenaufklärung also bereits in der Planungsphase verhindern.

Die Gegenaufklärung ist ein wertvolles operatives Werkzeug, das als Frühwarnsystem beim Schutz von Menschen und Standorten fungiert und daher im Personenschutz und (in deutlich geringerem Umfang) im Objektschutz eingesetzt wird. 

Gegenaufklärung ist ein integraler Bestandteil im Konzept von Protective Intelligence. Es sollte zum Werkzeugkasten jedes Sicherheitsprofis gehören.

Eine Gegenaufklärung kann offen oder verdeckt durchgeführt werden. Bei der verdeckten Aufklärung geht es in der Regel darum, potenzielle Angreifer im unmittelbaren Umfeld einer Schutzperson oder eines Schutzobjektes zu identifizieren, ohne selber von den Angreifern entdeckt zu werden. Eine solche Maßnahme wird in ziviler Kleidung und Low Profile durchgeführt.

Eine verdeckte Gegenaufklärung erlaubt somit weitere Aufklärungsmaßnahmen, wie zum Beispiel eine Gegenobservation, mit dem Ziel, die Identität des oder der Angreifer zu klären.

Im Gegensatz dazu dient eine offene Gegenaufklärung vornehmlich der Abschreckung. Gegenaufklärer sind meist als solche zu erkennen, weil sie entweder (bewusst) erkennbar zum Wachschutz gehören oder aber die Gegenaufklärung so durchführen, dass die Maßnahme für Angreifer erkennbar ist.

Aber wie und woran erkennen Gegenaufklärer eine feindliche Ausspähung?

Feindliche Ausspähung erkennen mit TEDD und VUZA

Feindliche Ausspähung durch potenzielle Angreifer lässt sich anhand von vier Merkmalen identifizieren. Die US-amerikanischen Sicherheitsbehörden fassen diese vier Merkmale in dem Akronym TEDD zusammen:

  • T - Time
  • E - Environment
  • D - Distance
  • D - Demeanor

Auf Deutsch: Zeit - Umgebung - Abstand - Verhalten.

Im Deutschen ließe sich daraus das Akronym VUZA machen:

  • V - Verhalten
  • U - Umgebung
  • Z - Zeit
  • A - Abstand

Die Erkenntnis dahinter: Wenn sich Personen wiederholt und über einen längeren Zeitraum hinweg in unterschiedlichen Umgebungen und mit einem gewissen Abstand zu einer Person oder einem Objekt beobachten lassen und/oder Personen im eigenen Umfeld ein auffälliges Verhalten an den Tag legen - dann ist von einer feindlichen Ausspähung auszugehen.

Für Menschen sind diese Prinzipien von TEDD bzw. VUZA nur dann relevant, wenn eine direkte Bedrohung durch Stalker, Sexuakstraftäter, Entführer oder sonstige kriminelle Angreifer besteht.

Beim Objektschutz helfen diese Prinzipien bei der Gegenaufklärung gegen Bedrohungsakteure wie Kriminelle, Terroristen, Extremisten und Aktivisten. Hier sind nicht Personen das Ziel, sondern das Objekt selber, also Gebäude und Liegenschaften.

Auffälliges Verhalten entlarvt feindliche Aufklärer

Feindliche Aufklärer lassen sich in sehr vielen Fällen an ihrem auffälligen Verhalten erkennen (das V von VUZA). Denn Aufklärer müssen die Fähigkeit meistern, sich über längere Zeiträume in einer wechselnden Umgebungen aufzuhalten, um ihr Ziel beobachten zu können - und das, ohne dabei durch auffälliges Verhalten herauszustechen.

Und das ist schwer. Es braucht viel Zeit und praktische Übung, um diese Kunst der Aufklärung und Observation zu erlernen, vor allem um den damit einhergehenden Stress kontrollieren zu lernen. Und diese Möglichkeiten bieten praktisch nur staatliche Sicherheitsbehörden wie Nachrichtendienste und die Spezialkräfte in Polizei und Militär.

Die gute Nachricht: Kriminellen, Terroristen, Extremisten und Aktivisten beherrschen die Kunst der Aufklärung in den meisten Fällen nur in geringem Maße. Entsprechend dilettantisch fallen Aufklärungsversuche häufig aus, weil die Angreifer nie gelernt haben, den mit einer Ausspähung verbundenen Stress zu kontrollieren.

Ein Stressfaktor für Aufklärer stellt das Arbeiten unter Legende dar. Eine Legende ist eine Geschichte, die die Anwesenheit der Aufklärer an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit plausibel und glaubhaft erklärt und somit legitimiert - und zugleich deren wahre Absicht verschleiert.

Unter Legende zu arbeiten, heißt mit einer Schere im Kopf zu arbeiten. Aufklärer leben zwei Leben, zwei Geschichten zur selben Zeit, eine wahre und eine falsche. Dabei soll die falsche die wahre Geschichte übertünchen. Das führt zu einer kognitiven Diskrepanz, und eben diese sorgt für den Stress, den Aufklärer erleben.

Der Stress wiederum ist der Grund für das sehr häufig auffällige Verhalten bei ungeschulten Angreifern, besonders wenn sie sich um ein unauffälliges Erscheinungsbild bemühen. Stress führt zu Handlungsfehlern.

Typische Stressreaktionen sind Nervosität, Schwitzen und rote Flecken auf der Haut, sowie Gesten der Selbstvergewisserung, wie das regelmäßige Berühren des eigenes Gesichts und der Beruhigung, wie zum Beispiel ständig auf die Uhr zu schauen oder das (unbewusste) Herumspielen mit Gegenständen wie Stiften oder dem Smartphone.

All dies sind Auffälligkeiten, die geschulte Gegenaufklärer erkennen und auf diese Weise feindliche Aufklärer identifizieren können.

Fazit

Bedrohungsakteure wie Kriminelle, Terroristen, Extremisten und Aktivisten nutzen feindliche Ausspähung, um im Rahmen der Tatvorbereitung detaillierte Informationen über ihre jeweiligen Ziele zu sammeln. 

Diese Informationen benötigen sie zwingend für eine erfolgreiche Durchführung der Tat. Von der Ausspähung selbst geht dabei keine direkte Gefahr für die Zielperson oder das Zielobjekt aus.

Feindliche Ausspähung lässt sich durch Gegenaufklärung frühzeitig und proaktiv erkennen und stören. Gegenaufklärer identifizieren feindliche Aufklärer nach den Prinzipien von TEDD bzw. VUZA. Dabei spielt das auffällige Verhalten nicht geschulter Angreifer eine entscheidende Rolle.

Eine gezielte und fortlaufende Gegenaufklärung durchkreuzt den feindlichen Angriffszyklus in der Vortatphase, so dass es gar nicht erst zur Tat kommt.

Gegenaufklärung ist damit ein wichtiges Werkzeug für jeden Sicherheitsprofi, der für den Schutz von Personen oder Objekten verantwortlich ist.


Wenn Sie lernen möchten, wie Gegenaufklärung in der Praxis funktioniert und wie sich feindliche Ausspähung erkennen lässt, dann können Sie sich hier für mein Surveillance-Detection-Training anmelden.


Fotos: Timon Studler & Jeff Sheldon / Unsplash

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Der feindliche Angriffszyklus: eine kurze Einführung https://www.florianpeil.de/blog/der-feindliche-angriffszyklus/ https://www.florianpeil.de/blog/der-feindliche-angriffszyklus/#comments Wed, 05 Jan 2022 14:03:00 +0000 Protective Intelligence https://www.florianpeil.de/blog/der-feindliche-angriffszyklus/ Weiterlesen

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Der feindliche Angriffszyklus ist ein Modell, das den Prozess zur Planung und Durchführung jeder Art von Angriff darstellt.

Wann immer Kriminelle, Terroristen, Spione oder sonstige Täter einen Überfall, einen Anschlag oder eine Operation planen und durchführen, durchlaufen sie den feindlichen Angriffszyklus (engl. hostile attack cycle).

Angriffe erfolgen also nie aus heiterem Himmel, auch wenn die Opfer solcher Taten das meist so wahrnehmen.

Das Modell zeigt, dass die Planung und Durchführung von Angriffen und Anschlägen kein mysteriöses Geheimwissen ist, sondern einem einfachen und logischen Muster folgt, das sich in fünf Phasen gliedert.

Wer also die einzelnen Tatphasen und die damit verbundenen Zwänge und Notwendigkeiten der Angreifer kennt, ist in der Lage, Tatvorbereitungen frühzeitig zu erkennen - und den feindlichen Angriffszyklus zu durchkreuzen, also bereits in der Planungsphase zu vereiteln (engl. break the cycle). Es kommt dann nicht zur Tat.

Wie also sieht der feindliche Angriffszyklus aus, und aus welchen Phasen besteht er?

Die fünf Phasen des feindlichen Angriffszyklus

Der feindliche Angriffszyklus besteht aus fünf Schritten, die zusammen eine Tat ausmachen:


  1. Auswahl des Ziels
  2. Planung und Vorbereitung
  3. Durchführung
  4. Flucht
  5. Profit
Grafik: Die 5 Phasen des feindlichen Angriffszyklus

Phase 01: Zielauswahl

In Phase 01 geht es um die Auswahl eines geeigneten Ziels. Taschendiebe suchen vielleicht nach unaufmerksamen Menschen mit Handtaschen; Terroristen prüfen infrage kommende Anschlagsziele; Spione suchen Zielpersonen, die für eine Anwerbung als menschliche Quelle geeignet erscheinen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass Täter in dieser ersten Phase der Zielauswahl immer mehrere Ziele prüfen, um dann das geeignetste auszuwählen. Dieser Schritt umfasst daher erste Aufklärungs- und Beobachtungsmaßnahmen. Die Festlegung des Ziels erfolgt im Laufe dieser initialen Phase.

Angreifer betreiben hier eine Risikoabwägung im Sinne einer Kosten-Nutzen-Rechnung: Wie lässt sich eine Tat mit dem größtmöglichen Erfolg durchführen und das Risiko gleichzeitig möglichst gering halten? Bis zu welcher Schwelle sind Risiken noch akzeptabel? 

Solche Überlegungen bestimmen Art und Umfang der Tat. Je günstiger die Kosten-Nutzen-Rechnung für die Täter ausfällt, desto gefährdeter ist ein Ziel.

Phase 02: Planung

Auf die Zielauswahl folgt Phase 02, die Planungsphase. Nun werden die operativen Details der geplanten Tat festgelegt: Ort, Zeit und Modus Operandi: das Wo, Wann, Wer und Wie.

Für Angreifer ist die Planungsphase der Zeitraum, in dem sie besonders verwundbar sind. Denn in dieser Phase klären sie das Ziel weiter auf, sammeln also Informationen. 

Die Angreifer müssen im Rahmen ihrer Aufklärung dabei physisch vor Ort sein. Anders lassen sich mögliche Schwachstellen eines Zielobjekts nicht identifizieren. 

Es geht also darum, die bestehenden Sicherheitsmaßnahmen zu erforschen, auf Schwachstellen zu prüfen und Zugänge zu einem Objekt zu identifizieren. 

Angreifer sind in der Planungsphase besonders verwundbar

Je nach Motivation müssen die Täter dabei unterschiedliche Informationen in Erfahrung zu bringen. Öko-Aktivisten, die ein riesiges Banner an der Fassade eines Unternehmens hissen wollen, benötigen dabei andere Informationen als Kriminelle, die einen nächtlichen Einbruch planen.

Schließlich gilt es, Fluchtrouten zu erkunden und - sofern nötig - sichere Unterkünfte zu organisieren. Phase 02 ist erst dann beendet, sobald die Täter alle für die Durchführung notwendigen Informationen beschafft haben und alle Vorbereitungen abgeschlossen sind.

Phase 03: Durchführung der Tat

In Phase 03 wird die Tat durchgeführt. Diese Phase endet, sobald die Angreifer ihren Überfall begangen, ihren Anschlag durchgeführt, die Zielperson erfolgreich rekrutiert haben. 

Die eigentliche Durchführung erfolgt also erst zu einem bemerkenswert späten Zeitpunkt innerhalb des feindlichen Angriffszyklus.

Phasen 04 und 05: Flucht und Profit

Phase 04 des Angriffszyklus ist die Flucht. Die Tat ist begangen, jetzt geht es für die Täter darum, schnell und unbeschadet aus der Situation herauszukommen. Bei Selbstmordattentätern in der terroristischen Variante des Angriffszyklus entfällt diese Phase.

Mit Phase 05 endet der Angriffszyklus. Dies ist die Phase, in der die Täter die Früchte ihres Handelns ernten, in der sie Profit aus ihrer Tat schlagen. 

Kriminelle machen ihre Beute zu Geld; Terroristen nutzen die Aufmerksamkeit, die sie mit ihrem Anschlag erzeugt haben, für ihre Propaganda; Spione profitieren von den Informationen, die ihnen ihre Zielperson liefert, die sie erfolgreich in einer extremistischen Organisation platzieren konnten.

Zusammenfassung

Der feindliche Angriffszyklus stellt den Prozess der Planung und Durchführung von Angriffen dar. Wer die einzelnen Phasen feindlicher Taten und die Zwänge und Notwendigkeiten der Angreifer kennt, kann frühzeitig, proaktiv und systematisch Angriffsvorbereitungen identifizieren und den feindlichen Angriffszyklus gezielt durchkreuzen.


Mehr zum feindlichen Angriffszyklus finden Sie in meinen Büchern Die 5 Ringe der Sicherheit und Terrorismus - wie wir uns schützen können; in letzterem beschreibe ich den Angriffszyklus in seiner terroristischen Variante. 


Foto: Sean Benesh / Unsplash

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OODA-Loop: Wie man Gefahrensituationen souverän meistert https://www.florianpeil.de/blog/ooda-loop/ https://www.florianpeil.de/blog/ooda-loop/#comments Tue, 05 Oct 2021 11:46:00 +0000 Persönliche Sicherheit https://www.florianpeil.de/blog/ooda-loop/ Weiterlesen

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Der OODA-Loop ist ein Werkzeug für akute Gefahrensituationen, wie zum Beispiel für Terroranschläge oder Amokläufe

Im Kern ist der Loop ein mentales Modell, das hilft, auch bei Angst und Stress handlungsfähig zu bleiben und durch strukturiertes und zielgerichtetes Denken und Handeln auch Situationen mit hoher Unsicherheit souverän und möglichst unversehrt zu überstehen.

Mit dem Loop haben wir also einen robusten Entscheidungsprozess für jede Art von Gefahrensituation. In der Praxis ist der OODA-Loop die Brücke zwischen Aktion und Awareness.

Besonders hilfreich ist der OODA-Loop in dynamischen Bedrohungslagen. Dazu zählen vor allem Active-Shooter-Situationen, aber auch bei Raubüberfälle oder Mobs.

Die 4 Phasen des OODA-Loops: Observe - Orient - Decide - Act

Der OODA-Loop besteht aus vier Phasen: Observe - Orient - Decide - Act, auf Deutsch: Beobachten - Orientieren - Entscheiden - Handeln. 

Diese vier Phasen bauen aufeinander auf und müssen stets in dieser Reihenfolge durchlaufen werden. Seinen Nutzen entfaltet der Loop nur dann, wenn alle vier Phasen hintereinander durchlaufen werden.

Grafik OODA-Loop

Phase 01: Beobachtung. Diese Phase leitet den Loop ein. Hier geht es darum, fortlaufend die eigene Umgebung zu beobachten. Das Werkzeug hierfür heißt „situative Aufmerksamkeit“.  Beobachten ist nichts anderes als situative Aufmerksamkeit zu praktizieren. Sie scannen Ihre Umgebung und wissen zu jedem Zeitpunkt, was um Sie herum vorgeht.

Phase 02: Orientieren. Auf das Beobachten folgt das Orientieren. Dies ist der wichtigste Schritt des OODA-Loops, sein Schwerpunkt. Hier geht es darum, die eigene Umgebung lesen zu lernen. Beobachten heißt Daten sammeln, Orientieren bedeutet, diesen Daten Sinn zu geben, indem wir die gewonnenen Eindrücke filtern und auf potenzielle Bedrohungen hin prüfen.

Orientieren heißt also, potenzielle Bedrohungen frühzeitig zu identifizieren und die eigenen Handlungsoptionen darauf zu prüfen. Das gelingt mithilfe des eigenen Bauchgefühls und einem Konzept namens Standards und Anomalien. (Mehr dazu hier.)

Phasen 03 & 04: Entscheiden und Handeln. Wir haben unsere Umgebung aufmerksam beobachtet (O) und dabei eine mögliche Bedrohung identifiziert (OO). Jetzt gilt es eine Entscheidung zu treffen (D) und umzusetzen (A) - und dies möglichst schnell. 

Aus der Vielzahl der gewonnenen und bewerteten Informationen sowie der möglichen Handlungsoptionen gilt es nun eine einzige Entscheidung zu destillieren. Diese setzen Sie dann durch eine Handlung in die Tat um.

OO-Syndrom: Warum der OODA-Loop immer vollständig zu durchlaufen ist

Ein Loop ist erst mit der Umsetzung einer Entscheidung abgeschlossen. Das ist von entscheidender Bedeutung. In einer Bedrohungssituation müssen wir in jedem Fall eine Entscheidung treffen und umsetzen, und zu dieser Entscheidung führt uns der OODA-Loop.

In der Praxis funktioniert aber genau das häufig nicht. Menschen neigen aufgrund von Angst und Stress dazu, einzelne Phasen des (ihnen nicht bekannten) Loops auszulassen.

Viele bleiben in der Stufe der Orientierung hängen (OO-Syndrom), weil sie in einer Bedrohungssituation erstarren und keine Entscheidung treffen. So gewinnen jedoch Angreifer mehr Zeit, zum Beispiel um sich zu nähern, besser zu positionieren und einen Angriff vorzubereiten - und bestimmen auf diese Weise die Spielregeln einer Situation.

Wichtig ist also, bei einer identifizieren Bedrohung möglichst schnell ins Handeln zu kommen. Wer nicht ins Handeln kommt, hängt im OO-Modus fest. 

Das ist gefährlicher als eine schlechte Entscheidung. Denn diese lässt sich mit dem nächsten Loop korrigieren und durch eine bessere Entscheidung ersetzen.

In der Praxis durchlaufen wir so oft Dutzende von Loops hintereinander. Auf diese Weise synchronisieren uns fortlaufend mit der Realität. Denn gerade in dynamischen Situationen braucht es jedoch ständige Anpassungen. Wir brauchen „mentale Agilität“ (Grant Hammond). 

Der OODA-Loop ist der Schlüssel dazu.


OODA-Loop Terroranschlag Active Shooter Pulse Nachtclub

OODA-Loop in der Praxis: Terroranschlag im Nachtclub

Im Ernstfall kann das OO-Syndrom tödliche Folgen haben. So wie im Nachtclub »Pulse« in Orlando, einer Stadt im US-amerikanischen Bundesstaat Florida. Es war die Nacht des 11. Juni 2016, als Imran Yousuf plötzlich Schüsse hörte. Yousuf, ein ehemaliger US-Marine, arbeitete als Türsteher im »Pulse«. 

Er identifiziere diese sofort als Schüsse aus einem Sturmgewehr - und rannte sofort in den hinteren Teil des Clubs, weg von den Schüssen im Eingangsbereich.

Dort drängte sich bereits eine Menschentraube vor einer verschlossenen Tür. Doch niemand bewegte sich oder versuchte die Tür zu öffnen. Alle waren wie erstarrt vor Angst – und unfähig, die als sinnvoll erkannte Handlung auszuführen, nämlich die Tür zu öffnen. 

Die Menschen vor der Tür hatten sich zwar orientiert und einen Ausgang gefunden, aber waren durch Angst und Stress nicht in der Lage, die durch einen Riegel versperrte Tür zu öffnen und damit den OODA-Loop zu vollenden. Sie hingen mental fest - OO-Syndrom.

Yousuf hingegen vollendete seinen OODA-Loop, indem er die Entscheidung traf, seine Deckung zu verlassen und den Riegel der Tür zu öffnen. Das war die Rettung für 70 Menschen, die nun den Club durch diesen Ausgang verlassen konnten.

Der Täter wütete währenddessen weiter, tötete 49 Menschen und verletzte 53 weitere. Es war der bis dahin schlimmste Terroranschlag mit der höchsten Zahl an Opfern in den USA seit dem 11. September 2001.

Behalten Sie also im Hinterkopf, dass es darum geht, den Loop zu Ende zu bringen. Sie müssen in Gefahrensituationen eine einzige Entscheidung treffen und diese direkt umsetzen. Sie müssen handeln. Das funktioniert, indem Sie akzeptieren, dass Ihre erste Entscheidung nicht perfekt sein muss, sondern jederzeit durch eine bessere Entscheidung ersetzt werden kann.

Fazit

Der OODA-Loop ist ein mentales Werkzeug, das uns hilft, Gefahrensituationen souverän zu meistern und auch in Gefahr und unter Stress handlungsfähig zu bleiben. Die vier Phasen Beobachten - Orientieren - Entscheiden - Handeln müssen stets in derselben Reihenfolge und vollständig durchlaufen werden. 

Am Ende jedes Loops steht zwingend eine Entscheidung. Erst dann ist ein Loop abgeschlossen. Es geht entscheidend darum, das OO-Syndrom zu vermeiden.

Der OODA-Loop versetzt Anwender in die Lage, auch in akuten Situationen akuter Bedrohung und unter Stress schnell und souverän Entscheidungen zu treffen und ohne zu zögern in die Tat umzusetzen. Damit erhöhen sich die eigenen Chancen, möglichst unversehrt auch aus Gefahrensituationen hervorzugehen.

Klingt kompliziert? Das ist es nicht. Sie durchlaufen den OODA-Loop bereits jeden Tag Dutzende Male, allerdings unbewusst und vermutlich nur selten in Bedrohungssituationen. Es geht also darum, besser darin zu werden. Dann kann der OODA-Loop zu einer echten Geheimwaffe in Gefahrensituationen werden.


Mehr Beispiele, wie der OODA-Loop in der Praxis funktioniert, und Tipps, wie man dieses Werkzeug in den eigenen Alltag integriert, finden Sie in meinem Buch Die 5 Ringe der Sicherheit. Mit Risiken und Bedrohungen souverän umgehen - im Alltag und auf Reisen.


Grafik: (c) Florian Peil

Fotos: Pixabay / City of Orlando Police Department / Wikimedia Commons

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Cooper Color Code: der Farbcode für mehr persönliche Sicherheit https://www.florianpeil.de/blog/cooper-color-code/ https://www.florianpeil.de/blog/cooper-color-code/#comments Thu, 15 Jul 2021 05:00:00 +0000 Reisesicherheit Persönliche Sicherheit https://www.florianpeil.de/blog/cooper-color-code/ Weiterlesen

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Situative Aufmerksamkeit und der Cooper Color Code sind wohl die wichtigsten und wertvollsten Werkzeuge, die uns zur Verfügung stehen, um unsere persönliche Sicherheit effektiv zu erhöhen. Hinter dem etwas sperrigen Begriff der situativen Aufmerksamkeit (engl. situational awareness) verbirgt sich ein einfaches und in der Praxis seit Jahrzehnten bewährtes Konzept.

Im Kern bedeutet Awareness oder situative Aufmerksamkeit nichts anderes als die eigene Umgebung bewusst wahrzunehmen. Ziel ist es, diese Umgebung zu verstehen, sie lesen zu können. Wer Awareness praktiziert, weiß zu jedem Zeitpunkt, was in der eigenen Umgebung vorgeht.

Awareness ist damit so etwas wie unser Gefahrenradar. Es ist unser Frühwarnsystem, das uns in die Lage versetzt, mögliche Bedrohungen - wie zum Beispiel Angriffe durch Kriminelle, Terroristen, Stalker oder Sexualstraftäter - frühzeitig zu erkennen.

Um die eigene situative Aufmerksamkeit gezielt steuern zu lernen und damit die eigene Handlungsfähigkeit auch in Gefährdungssituationen zu erhöhen, empfiehlt sich ein seit Jahrzehnten in der Praxis bewährtes System: der Cooper Color Code.

Jeff Cooper war ein US-amerikanischer Schießausbilder, der sowohl im Zweiten Weltkrieg wie auch im Korea-Krieg gedient hatte. Cooper hatte seinen Farbcode - die Cooper Colors - ursprünglich entwickelt, um die Gefechtsbereitschaft von Soldaten zu erhöhen. 

Das System lässt sich jedoch problemlos in den zivilen Bereich übertragen. Hier hilft es, die Handlungsfähigkeit von Menschen in Gefährdungssituationen zu erhöhen.

Der Cooper Color Code und die 4 Stufen von Awareness

Coopers System basiert auf einem Farbcode mit den Farben Weiß, Gelb, Orange und Rot. Jede Farbe steht für einen bestimmten Grad an Awareness. Wir alle bewegen uns grundsätzlich in einer dieser vier Stufen situativer Aufmerksamkeit. Weiß steht dabei für den geringsten Grad an situativer Aufmerksamkeit, Rot für den höchsten.

Grafik: Cooper Color Code

In Stufe Weiß sind wir entspannt und unaufmerksam und schenken unserer Umgebung keine oder nur wenig Beachtung. In diesem Zustand der situativen Aufmerksamkeit sind wir nicht in der Lage, potenzielle Gefahren wahrzunehmen, geschweige denn, angemessen darauf zu reagieren.

Viele Menschen befinden sich die meiste Zeit des Tages und ihres Lebens in dieser Stufe der Aufmerksamkeit, sei es, dass sie zu Hause auf dem Sofa oder in der U-Bahn sitzen, mit Dutzenden anderer Menschen um sie herum. Weiß ist die Farbe der Routine, der Betriebsblindheit und des Alltagstrotts, die allzu oft mit einer gewissen Ignoranz einhergeht.

Wann immer Sie in der Öffentlichkeit auf Ihrem Smartphone herumspielen, befinden Sie sich in Coopers Farbcode in Stufe Weiß. Wenn Menschen nach einem Überfall verdattert in der Gegend herumstehen und sagen "Es ging alles so schnell, ich habe den Täter überhaupt nicht kommen sehen", dann waren diese Menschen vor dem Überfall in Stufe Weiß.

Weiß ist auf der anderen Seite auch ein Zustand, der notwendig ist zur Erhaltung unserer physischen und psychischen Gesundheit. Aufmerksamkeit ist für uns alle eine limitierte Ressource. Daher muss jeder Mensch im Verlauf eines Tages für eine längere Zeit in Weiß abtauchen, um sich regenerieren zu können. 

Weiß ist der Zustand der Erholung, des Loslassens, des Schlafens. Hier sammeln wir Kräfte und laden unsere Batterien auf. Das geht zu Hause oder in einem sicheren, geschützten Raum; überall dort, wo fremde Menschen keinen Zutritt haben und Ihnen niemand etwas Böses will. Die Öffentlichkeit zählt ausdrücklich nicht zu diesen geschützten Räumen.

Stufe Gelb: Gefahrenradar einschalten

Auf Weiß folgt die nächsthöhere Stufe Gelb. In Stufe Gelb nehmen Sie Ihre Umgebung aufmerksam und bewusst wahr. Wie in Stufe Weiß sind Sie entspannt. Der entscheidende Unterschied zwischen Weiß und Gelb besteht darin, dass Sie bei Verlassen der eigenen vier Wände bewusst Ihren »Gefahrenradar« eingeschaltet haben. 

Sie wissen genau, wo Sie sind und welche Menschen sich um Sie herum befinden. Ich nenne das »die Umgebung inventarisieren«. Sie sind dabei entspannt, aber wachsam. Wann immer Sie sich in der Öffentlichkeit bewegen, sollten Sie in Stufe Gelb sein.

Das hört sich selbstverständlicher an, als es ist. Viele Menschen sind so in ihrem Trott gefangen, dass sie die eigene Umgebung nur selten wirklich bewusst wahrnehmen. 

Ich stelle dies immer wieder in meinen Sicherheitstrainings fest. Für manche Teilnehmer ist es so, als würden ihnen die Augen geöffnet und sie könnten plötzlich sehen.

Stufe Orange: Bedrohung identifiziert

Auf Gelb folgt die nächsthöhere Stufe Orange. In Stufe Orange wechseln Sie, wenn Sie eine potenzielle Bedrohung in Ihrer Umgebung identifiziert haben. 

Vielleicht sagt Ihnen Ihre Intuition, dass etwas nicht stimmt. Vielleicht ist es eine Betrunkene, die lautstark die Menschen um sich herum beschimpft. Vielleicht ist es eine Gruppe Jugendlicher, bei denen Ihr Bauchgefühl anschlägt. Ihre entspannte Aufmerksamkeit (Stufe Gelb) hat sich jetzt erhöht und auf die mögliche Gefahrenquelle fokussiert.

In Stufe Orange nimmt Ihre körperliche Anspannung zu und Ihr Herzschlag erhöht sich. Vielleicht bekommen Sie feuchte Hände oder einen trockenen Mund. Das sind typische Stress-Reaktionen und Zeichen dafür, dass der Körper sich auf Aktion vorbereitet.

In Orange fokussieren Sie Ihre Aufmerksamkeit so lange auf die mögliche Bedrohung, bis sich die Situation entweder entschärft (die Gruppe Jugendlicher verschwindet) oder sich die potenzielle Gefahrenquelle als harmlos herausstellt (die Betrunkene schläft ein). 

Dann schalten Sie Ihre Awareness wieder auf Gelb herunter. Oder aber Sie realisieren, dass sich tatsächlich eine Bedrohung manifestiert (die Betrunkene wankt auf Sie zu und beschimpft Sie lautstark) und Sie handeln müssen (Flucht oder Gegenwehr).

Stufe Rot: Aktion erforderlich

Die vierte und letzte Stufe in Jeff Coopers Farbcode ist die Stufe Rot. Die Farbe Rot bedeutet Ernstfall. In dieser Stufe haben wir eine konkrete gegen uns gerichtete Bedrohung identifiziert. Rot heißt: Aktion erforderlich. Jetzt.

Ihr Körper ist bereit für eine der beiden archaischen Reaktionen bei Gefahr: fliehen oder kämpfen. Ihr Herzschlag hat sich nochmals erhöht, Adrenalin wird ausgeschüttet, Ihre Sinne sind maximal geschärft. Dieser Zustand währt so lange, bis keine Gefährdung mehr existiert und Sie sich an einem sicheren Ort befinden. Dann schaltet der Körper nach einer Weile wieder herunter, bis er nach und nach Stufe Weiß, den Zustand der Erholung, erreicht hat.

Das geschieht bei kurzen Bedrohungsphasen bei vielen Menschen automatisch, sofern das persönliche Umfeld diesen Prozess der Entspannung erlaubt. Sind Menschen jedoch über lange Zeit einem hohen Stress ausgesetzt, ist es häufig notwendig, Methoden zur gezielten Entspannung und Stressreduktion zu nutzen. Dazu zählen unter anderem intensiver Sport, Meditation, Atemübungen und autogenes Training.

Mit dem Cooper Color Code die eigene Wahrnehmung steuern

Der Farbcode hilft, die eigene Wahrnehmung gezielt zu steuern. Während des Tages können wir mehrfach zwischen den vier Stufen wechseln. Die meiste Zeit verbringen wir in den Stufen Weiß und Gelb, deutlich seltener in Orange und nur in Ausnahmefällen sind wir in Stufe Rot.

Die meisten Menschen befinden sich die überwiegende Zeit des Tages mental in Stufe Weiß, auch außerhalb der eigenen vier Wände oder anderer geschützter Räume. Das bedeutet jedoch, dass sie kein Auge für ihre jeweilige Umgebung haben.

Dieses Verhalten hat zwei gravierende Nachteile für die eigene Sicherheit: Erstens sind wir in Stufe Weiß nicht in der Lage, potenzielle Bedrohungen frühzeitig zu identifizieren. Zweitens sind wir ohne situative Aufmerksamkeit im Bedrohungsfall unfähig, adäquat zu reagieren, uns also so zu verhalten, dass wir die Situation möglichst unbeschadet überstehen.

Denn in einer Gefahrensituation müssen wir aus diesem mentalen Zustand erst aufwachen. Wir können nicht direkt von Weiß zu Rot wechseln, sondern brauchen dafür ein paar Sekunden der Orientierung und Anpassung an die Situation. Und das dauert in Bedrohungssituationen erfahrungsgemäß meist zu lange.

Dieses Unvermögen, eine Bedrohungssituation ohne mentale Vorbereitung schnell und effektiv zu entschärfen, liegt also im archaischen Verhalten unseres Körpers in Gefahrensituationen begründet.

Erstarren angesichts einer Gefahr vermeiden

Gefahr bedeutet Stress. Jede als gefährlich wahrgenommene Situation führt beim Menschen zu einer Stressreaktion. Und diese Reaktionen sind heute noch die gleichen wie in der Steinzeit. Sendet das Stammhirn ein Signal für Gefahr, übernimmt unser vegetatives Nervensystem die Kontrolle und entscheidet innerhalb von Millisekunden über die sinnvollste Reaktion: kämpfen, fliehen oder erstarren (engl. fightflightfreeze).

Ein solches Erstarren im Angesicht einer Gefahr sollten wir um jeden Preis vermeiden. Der Nutzen von Coopers Farbcode besteht also darin, dass wir damit den Grad unserer situativen Aufmerksamkeit überprüfen und gezielt steuern können. Richtig eingesetzt kann der Farbcode uns helfen, die archaischen Instinkte unseres Körpers in Schach zu halten.


Wenn Sie mehr über Situative Aufmerksamkeit, den Cooper Color Code oder zahlreiche andere Sicherheitstools wissen möchten, mit denen sich die persönliche Sicherheit schnell und effektiv erhöhen lässt - dann werfen Sie doch mal einen Blick in mein Buch Die 5 Ringe der Sicherheit.


Foto: Riciardus / Pexels

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3 Beispiele, wie Protective Intelligence in der Praxis funktioniert https://www.florianpeil.de/blog/3-beispiele-wie-protective-intelligence-in-der-praxis-funktioniert/ https://www.florianpeil.de/blog/3-beispiele-wie-protective-intelligence-in-der-praxis-funktioniert/#comments Sat, 12 Dec 2020 14:30:00 +0000 Protective Intelligence https://www.florianpeil.de/blog/3-beispiele-wie-protective-intelligence-in-der-praxis-funktioniert/ Weiterlesen

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Protective Intelligence ist ein Frühwarnsystem, mit dessen Hilfe Unternehmen, Organisationen und Individuen die eigene Sicherheit nachweislich verbessern können. Hier sind drei Beispiele, wie Protective Intelligence in der Praxis funktioniert.

Fallbeispiel 01: Die Frau

Auf einmal war da diese Frau. Blond, attraktiv, offensiv. Wo der Kunde sie kennengelernt hatte, ließ er seinen Sicherheitsbegleiter nicht wissen. Aber jetzt saßen sie gemeinsam im Auto, um sich zum Dinner in ein Restaurant fahren zu lassen.

Die Frau stammte erkennbar aus einem osteuropäischen Land. Das allein wäre nicht weiter erwähnenswert. Was den Sicherheitsbegleiter jedoch in Alarmbereitschaft versetzt hatte, war die Tatsache, dass sie aus eben jenem Land stammte, mit dem der Kunde große Probleme hatte.

Der Kunde hatte nur deswegen einen Sicherheitsbegleiter, weil er sich den massiven Unmut der Staatsführung eben dieses Landes zugezogen hatte. Drohungen waren bereits eingegangen, Behörden involviert.

Stellte die Frau eine Bedrohung für den Kunden dar? Oder war sie tatsächlich nur eine harmlose Zufallsbekanntschaft? Eile war geboten. Zeit für den Einsatz von Protective Intelligence.

Der Begriff bezeichnet einen Prozess von Analysen und Ermittlungen, um Bedrohungen für Menschen, Assets und Reputationen identifizieren und bewerten zu können. Auf dieser Basis lassen sich geeignete Schutzmaßnahmen implementieren. Protective Intelligence ist somit ein Frühwarnsystem – und die Grundlage für jedes Sicherheitskonzept.

Im Fall der weiblichen Bekanntschaft hatte das Sicherheitsteam seine Hausaufgaben gemacht. Dem proaktiven Ansatz von Protective Intelligence entsprechend basierte das Schutzkonzept des Kunden auf einer umfassenden Bedrohungsanalyse. Der Gegner und potenzielle Tätergruppen sowie deren Taktiken waren im Vorfeld genau analysiert worden.

Das Ergebnis: Sowohl die Absicht als auch die Fähigkeiten des Gegners, den Kunden massiv zu schädigen, waren nachweislich vorhanden. Der Grad der Bedrohung war entsprechend als „hoch“ eingestuft worden.

Es gab mehrere Bedrohungsakteure. Die größte Bedrohung stellten die Nachrichtendienste des gegnerischen Landes dar. Dank eines proaktiven und fortlaufenden Monitorings der Bedrohungslandschaft im In- und Ausland war das Sicherheitsteam darüber informiert, dass diese Dienste zunehmend aggressiv vorgingen und vor Gewalttaten nicht zurückschreckten – auch nicht in Europa.

Der Bedrohungsanalyse nach gehörte auch die sogenannte „Julia-Methode“, also der Aufbau einer Liebesbeziehung zu einer Zielperson, zum Repertoire dieser Dienste. Und nun also war diese Blonde mit dem starken Akzent aufgetaucht. War sie eine Julia? Oder war alles reiner Zufall?

Dank Protective Intelligence war das Sicherheitsteam auf einen solchen Fall vorbereitet und konnte die Schutzmaßnahmen schnell und flexibel anpassen. Neben diskreten Ermittlungen im Umfeld der Frau gehörten auch Maßnahmen zur Gegenaufklärung dazu, um festzustellen, ob die Frau alleine war oder Teil einer größeren Operation.

Die Ermittlungen im Umfeld der Frau erhärteten den Verdacht, dass hier etwas nicht stimmte: Sie war verheiratet, der Ehemann arbeitete bei einem obskuren Finanzinstitut, das seinen Sitz unweit eines „Instituts“ des gegnerischen Landes hatte. Aber auch diverse Umstände in ihrem privaten Umfeld machten stutzig.

Die zügige Anpassung der Sicherheitsmaßnahmen blieben der Frau nicht verborgen. Genau dies war auch die Absicht gewesen. Das Ergebnis: Zwei Tage später war sie verschwunden. Dem Kunden hatte sie erzählt, ihre Mutter sei plötzlich schwer erkrankt, und sie müsse nach Hause, um sie zu pflegen.

Wir haben sie nicht wiedergesehen.


Protective Intelligence Frau Café Laptop

Fallbeispiel 02: Das Café

Wie beinahe jeden Tag gen Mittag betrat der Mann das Café, um sich einen Kaffee zu holen, den er dann mit in sein Büro auf der anderen Straßenseite nehmen konnte. Während er am Tresen auf seine Bestellung wartete, ließ er seinen Blick durch den Raum wandern.

Dabei fiel ihm eine junge Frau auf, die mit ihrem Laptop am Fenster saß. Sie blickte alle paar Sekunden von ihrem Bildschirm hoch und hinüber zum Eingang seines Unternehmens auf der anderen Straßenseite. Dabei machte sie sich Notizen. Hin und wieder holte sie ein Smartphone aus der Tasche und fotografierte das Gebäude. Die junge Frau wirkte nervös.

Mit Laptop und Cappuccino im Café herumzusitzen war in diesem Viertel der Stadt keine Seltenheit. Aber dieses Verhalten war ungewöhnlich. Als der Mann am Tresen seinen Kaffee erhalten hatte, ging er schnurstracks zum Sicherheitsmanager des Unternehmens und berichtete von seiner Beobachtung.

Der Sicherheitsmanager nahm den Hinweis mit Interesse auf. Das Protective-Intelligence-Programm, das er initiiert hatte, begann zu greifen. Insbesondere das Modul „Surveillance Detection“ erwies sich als sehr nützlich. Es gingen zunehmend Meldungen von Mitarbeitern auf verdächtige und potenziell sicherheitsrelevante Aktivitäten ein. 

Zwar waren die meisten Meldungen noch falsch-positiv, aber der Anfang war gemacht. Die Mitarbeiter begannen zu verstehen, wurden aufmerksamer und wachsamer. Für Angreifer wurde es dadurch schwieriger, eine solide Voraufklärung zu betreiben und die für die Durchführung der Tat notwendigen Informationen zu beschaffen.

Auch am folgenden Tag saß die junge Frau mit Laptop wieder an ihrem Fensterplatz im Café und machte sich Notizen, als sich eine Frau mittleren Alters neben sie setzte. Diese bat die Jüngere freundlich um Hilfe, weil das Einloggen in das Wifi-Netzwerks des Cafés bei ihr nicht klappen wollte und verwickelte sie in ein Gespräch. 

Als die Ältere nach einer Stunde das Café verließ, wusste sie mehr. Später berichtete sie ihrem Chef, dem Sicherheitsmanager, von dem Gespräch. Dank der im Gespräch gewonnenen Erkenntnisse ließ sich die Identität der Frau im Café rasch feststellen.

Eine Tiefenrecherche im Internet ergab, dass die Frau enge Verbindungen zu einer lokalen Gruppe von Aktivisten hatte. Diese hatte in einem Online-Forum bereits angekündigt, „eine Aktion" gegen das Unternehmen zu planen. 

An anderen Standorten hatten sie bereits versucht, in die Gebäude einzudringen. Einige dieser Aktivisten standen an der Schwelle zum Extremismus, daher waren Sabotage-Versuche und Brandanschläge nicht auszuschließen.

Als die junge Frau zwei Tage später wieder an ihrem Fensterplatz im Café saß, setzten sich zwei Polizisten in Zivil zu ihr, nahmen ihre Personalien auf und führten ein kurzes Gespräch mit ihr.

Der Sicherheitsmanager hatte diesen Einzelhinweis unterdessen zum Anlass genommen, die Sicherheitsmaßnahmen an allen Unternehmensstandorten im Land anzupassen. Bislang konnten keine weiteren Ausspähungsversuche festgestellt werden. 

Die junge Frau ist in dem Café nicht mehr aufgetaucht. 


Libanon Bruecke Hizballah

Fallbeispiel 03: Die Brücke

Libanon 2015, eine Gebirgsstraße im Landesinneren. Die Straße führt über eine kleine Brücke vor einer Haarnadelkurve. Ein kleiner Feldweg zweigt von hier in die Berge ab. Mehrere große Felsen bieten eine gute Deckung für mehrere Personen und ein Fahrzeug. Ein geeigneter Ort für einen Hinterhalt.

Wir sind im Hizballah-Gebiet, wie die Fahnen an der Brücke unmissverständlich anzeigten. In dieser Gebirgsregion des Libanon, unweit der Grenze zu Syrien, operierten auch Schmuggler, das wussten wir. Außerdem hatten wir in Gesprächen vor Ort erfahren, dass auch Sympathisanten der im Syrienkrieg kämpfenden Dschihadisten des Islamischen Staates und der Al-Qaida zuzurechnenden Al-Nusra-Front in der Gegend lebten. Und die Dschihadisten hatten ein Auge auf den Libanon geworfen und Anschläge angekündigt. Die Lage wurde zusehends dynamischer.

Unser Auftraggeber, eine große internationale Organisation, wünschte eine Überarbeitung des Sicherheitskonzeptes für einige seiner Projekte im Libanon. Dazu gehörte die Aufklärung der Fahrtrouten der Mitarbeiter zu den Projektstandorten im Landesinneren.

Die Analyse hatte ergeben, dass in der Gegend kriminelle Überfälle, Entführungen und Terroranschlägen eine Bedrohung darstellten. Auch wenn die Bedrohungen lediglich als moderat eingestuft worden waren, wollte der Auftraggeber angesichts der volatilen Lage auf Nummer sicher gehen. Ein klassisches Einsatzfeld von Protective Intelligence.

Um einen geeigneten Ort für einen Angriff ausfindig zu machen, denken und sehen wir wie ein potenzieller Angreifer. Bei der taktischen Analyse vor Ort identifizierten wir also all jene Stellen entlang der Route, die abgelegen waren und eine Ausspähung in beide Richtungen der Gebirgsstraße erlaubten. Stellen, an denen Fahrzeuge nur mit geringer Geschwindigkeit unterwegs sein konnten, zum Beispiel vor Haarnadelkurven oder anderen Nadelöhren, und die den Angreifern zugleich ausreichend Deckung boten.

Wir fanden mehrere solcher Stellen. Der Ort an der Brücke erschien uns besonders geeignet. Letztlich schlugen wir unserem Auftraggeber eine alternative Route vor, die zwar länger war, aber durch offenes Gelände führte und deutlich weniger Risikopotenzial barg.

Bis zum Abschluss der Projekte kam es während der vielen Überlandfahrten zu keinem einzigen Zwischenfall.


Hinweis

Die hier aufgeführten Fallbeispiele sind „Case Stories“, also Fallbeispiele aus der Praxis, bei denen ich zum Schutz und zur Wahrung der Anonymität von Kunden und Projekten faktische Angaben wie Orte, Zeiten und Details geändert habe. 


Fotos: Simon Berger / Caleb Minear (beide Unsplash) / Florian Peil

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Protective Intelligence: Frühwarnsystem für gefährdete Personen https://www.florianpeil.de/blog/protective-intelligence-fruehwarnsystem-fuer-gefaehrdete-personen/ https://www.florianpeil.de/blog/protective-intelligence-fruehwarnsystem-fuer-gefaehrdete-personen/#comments Mon, 16 Nov 2020 00:00:00 +0000 Protective Intelligence https://www.florianpeil.de/blog/protective-intelligence-fruehwarnsystem-fuer-gefaehrdete-personen/ Weiterlesen

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Der Vorstandsvorsitzende, auf dessen Wohnhaus ein Brandsatz geworfen wird. Kommunalpolitiker, denen Gewalt von Extremisten angedroht wird. Der Journalist, der bedrohliche E-Mails von Extremisten erhält. – Sie alle könnten von Protective Intelligence profitieren.

Protective Intelligence ist ein Frühwarnsystem für Menschen, die einer erhöhten Gefährdung durch Bedrohungsakteure ausgesetzt sind.

Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff?

Was ist Protective Intelligence?

Protective Intelligence (PI) ist ein Konzept aus dem Bereich des Personenschutzes, genauer aus dem Bereich Executive Protection. Der US Secret Service, der für den Schutz der US-amerikanischen Präsidenten verantwortlich ist, hat das Konzept maßgeblich entwickelt.

Im Kern bezeichnet der Begriff einen Prozess der Analyse und Ermittlungen, der Bedrohungen für Menschen, Assets und Reputationen identifiziert und bewertet und auf dieser Basis geeignete Schutzmaßnahmen für gefährdete Menschen oder Assets implementiert. PI ist also die Schnittstelle von analytischer und operativer Arbeit.

Das ist meine Definition. Eine allgemein akzeptierte Definition existiert bis dato nicht. Ebenso fehlt für den Begriff „Protective Intelligence“ eine treffende Übersetzung ins Deutsche. Das deutsche Wort, dass die Bedeutung am ehesten wiederzugeben vermag, heißt „Vorfeldaufklärung“.

Protective Intelligence: Mehr als Vorfeldaufklärung

Doch das Konzept der Vorfeldaufklärung ist einerseits umstritten, andererseits ein wenig in die Jahre gekommen. Protective Intelligence geht zudem über die klassische Vorfeldaufklärung hinaus, indem es auch die digitale Welt in die Aufklärung mit einbezieht.

Als der US Secret Service das Konzept in den 1970er Jahren zu entwickeln begann, umfasste der Begriff zunächst nur den Bereich Executive Protection, also den Schutz hochrangiger Personen. Inzwischen hat sich die Bedeutung des Begriffs jedoch erweitert.

Protective Intelligence ist die Wissensgrundlage für jedes Sicherheitskonzept. Das Konzept kommt überall dort zur Anwendung, wo es um den Schutz von Menschen, Assets und Reputationen geht. Das umfasst so unterschiedliche Bereiche und Disziplinen wie Personenschutz, Reisesicherheit oder Bedrohungsmanagement.

Protective Intelligence als Frühwarnsystem

Der PI-Prozess ist durch drei Merkmale gekennzeichnet. Er ist:

  • proaktiv
  • frühzeitig
  • systematisch

Der PI-Ansatz ist proaktiv, da Bedrohungen durch ein fortlaufendes Monitoring der jeweiligen Bedrohungslandschaft frühzeitig erkannt und entsprechende Schwachstellen systematisch geschlossen werden – bevor Angreifer diese Sicherheitslücken nutzen können. PI ist damit ein Frühwarnsystem.

In der Praxis bedeutet dies einen Paradigmenwechsel: Agieren statt reagieren, proaktive Prävention statt Krisenmanagement. Damit verändert Protective Intelligence die Spielregeln für gefährdete Personen, Organisationen und Unternehmen. Konsequent betrieben, bietet PI die Möglichkeit, „vor die Lage“ zu kommen.

Der Faktor Mensch

Bei PI liegt der Fokus auf den Menschen, sei es als Schutzperson oder als potenzieller Täter. Schutzpersonen in diesem Sinne sind zum Beispiel Mitarbeiter einer Organisation oder eines Unternehmens. Dies kann entweder das Schlüsselpersonal sein, das für den Fortbestand einer Organisation oder eines Unternehmens von entscheidender Bedeutung ist. 

Genauso kann das gesamte Personal einer Organisation als Schutzpersonen definiert werden. Dies kann für Standorte und Mitarbeiter im Ausland ebenso gelten wie für die Standorte im Inland.

Potenzielle Täter können Gewalttäter sein wie Kriminelle, Terroristen oder Amokläufer, aber auch Stalker und Vergewaltiger sowie Spione oder Hacker.

Neue Einsichten durch die Täterperspektive

Was Protective Intelligence auszeichnet, ist die Perspektive. Indem proaktiv die Täterperspektive eingenommen und gezielt nach Schwachstellen bei den zu schützenden Personen oder Assets gesucht wird, lassen sich zum einen frühzeitig und systematisch Sicherheitslücken identifizieren. Zum anderen verschafft diese Perspektive wertvolle Einsichten in das Denken und Handeln potenzieller Täter.

Auf diese Weise lassen sich ihre Motivation, ihre für die Tatdurchführung notwendigen Fähigkeiten und Vorgehensweisen, der Modus Operandi, präzise identifizieren. Das letztgültige Ziel ist es natürlich, potenzielle Täter durch geeignete Maßnahmen auf Abstand zu halten.

Fazit: Protective Intelligence ist damit ein umfassendes und seit Jahrzehnten in der Praxis erprobtes System zur Früherkennung von Bedrohungen.

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Sicherheit in Nahost: neue Risiken und Spielregeln https://www.florianpeil.de/blog/sicherheit-in-nahost-neue-risiken-und-spielregeln/ https://www.florianpeil.de/blog/sicherheit-in-nahost-neue-risiken-und-spielregeln/#comments Sun, 08 Sep 2019 07:35:00 +0000 Nahost & Nordafrika https://www.florianpeil.de/blog/sicherheit-in-nahost-neue-risiken-und-spielregeln/ Weiterlesen

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Anno 1999 kursierte am Seminar für Arabistik und Islamwissenschaften in Göttingen ein Witz. Demnach gab es  dort drei Gruppen von Studenten: Die ersten waren Kinder binationaler Partnerschaften und wollten ihre arabische Identität ergründen, das waren die Autobiografen. 

Die zweiten waren die Politiker: Die wollten den Nahostkonflikt lösen. 

Die dritten schließlich hatten das Fach aus romantischen Gründen gewählt – sie hatten zu viel Karl May gelesen.

Der Nahostkonflikt dominierte damals die Berichterstattung über die Region und erhitzte die Gemüter – nicht nur auf der arabischen Straße, sondern auch im Seminar. Der Nahe Osten und Nordafrika ließen sich in weiten Teilen vortrefflich bereisen, von einzelnen Ländern wie dem Irak Saddam Husseins oder dem abgeschotteten Saudi-Arabien abgesehen. 

Syrien war ein beliebtes Ziel zum Arabisch lernen, ebenso der Jemen. In Nordafrika, vor allem im Süden Algeriens, später auch in Libyen und in Mali, zogen Wüstenreisen Touristen an. Vielerorts war noch ein Hauch vom »alten Orient« zu spüren, so zumindest ist meine Erinnerung.

Das größte Risiko stellte 1999 – mit weitem Abstand – der Straßenverkehr dar. Terroristische Anschläge kamen eher selten vor, zum Beispiel das Massaker im ägyptischen Luxor 1997. Die Kriminalitätsrate war in der gesamten Region durchweg sehr niedrig – eine Folge der zahlreichen autoritären Polizeistaat-Regime. 

Soziale Unruhen hat es immer gegeben, aber eben vereinzelt sowie lokal und zeitlich begrenzt. Als Ausländer aus dem Westen konnte man sich in der Region fast überall frei und ungehindert bewegen, die entsprechenden Sprachkenntnisse vorausgesetzt. In der Rückschau war es eine vergleichsweise ruhige und übersichtliche Zeit, sofern das Wort »übersichtlich« im Zusammenhang mit dem Nahen Osten irgendeinen Sinn ergibt.

2019 ist der Nahe Osten gefährlicher als 1999

Zwanzig Jahre später bestimmen nun Krieg, Terrorismus, konfessionelle Konflikte und soziale Unruhen in weiten Teilen das Bild vom Nahen Osten und Nordafrika. Die Region ist politisch instabil, die Verhältnisse noch komplizierter als schon 1999. In Libyen und Teilen Syriens herrscht Krieg, Saudi-Arabien führt seit 2015 einen ebenso erbitterten wie erfolglosen Krieg gegen die Huthi-Rebellen im Jemen. Der Konflikt hat den ohnehin bettelarmen Jemen in eine humanitäre Katastrophe gestürzt, die größte des 21. Jahrhunderts.

Wo Staaten fragil werden oder ganz zerfallen, profitieren Dschihadisten und Milizen. Nicht allein im Jemen, auch im Irak und in Syrien, in Ägypten, Libyen und Tunesien sind Rückzugsräume für Terroristen entstanden, haben sich No-go-Areas gebildet, die zu betreten lebensgefährlich ist. Infolgedessen sind Wüstenreisen in die Sahara heute nur sehr eingeschränkt möglich. Der alte Orient existiert nicht mehr – außer vielleicht bei Karl May. 

Zwei Zäsuren waren maßgeblich für diese Entwicklung: die Anschläge vom 11. September 2001 und der Arabische Frühling ab 2011. Der »Krieg gegen den Terror«, den US-Präsident George W. Bush als Reaktion auf die Anschläge von New York und Washington ausrief und der zum Einmarsch in Afghanistan 2001 und im Irak 2003 führte, hatte vor allem ein Ergebnis: Er hat den Aufschwung des islamistischen Terrorismus befördert und die Welt unsicherer gemacht.

Die Umbrüche von 2011 wiederum haben dazu geführt, dass Staaten in sich zusammengefallen und Grenzen ihre Bedeutung verloren haben. Seither werden lange unterdrückte Konflikte mit Gewalt ausgetragen, wird im Zuge einer fundamentalen Neuordnung des Nahen Ostens und Nordafrikas um Macht gekämpft.

Höhere Risiken und intensivere Vorbereitung

Heute gelten in der Region andere Spielregeln als Ende des vergangenen Jahrhunderts. Es gibt mehr Risiken, und sie sind höher als noch 1999. Zwar bleibt der Straßenverkehr unangefochten das Risiko Nummer eins in vielen Ländern, doch heute existieren daneben auch Bedrohungen wie Terroranschläge, eine steigende Anzahl von Entführungen, soziale Unruhen und viel Kriminalität. 

Nicht zu vergessen sind Überwachung und Spionage: In vielen Ländern sind die repressiven Regime dank neuer Technologien in der Lage, Bürger und Oppositionelle in einem bislang unbekannten Ausmaß zu überwachen und zu gängeln.

Für Reisende und Expats bedeutet diese Entwicklung: Aufenthalte im Nahen Osten und in Nordafrika erfordern eine intensivere Vorbereitung. Das betrifft insbesondere jene Unternehmen und internationale Organisationen, die Mitarbeiter in Krisengebiete und fragile Staaten entsenden. 

Manche Länder in der Region sind derzeit ohne intensive Vorbereitung und robuste Sicherheitsmaßnahmen vor Ort, wie bewaffneten Personenschutz und gepanzerte Fahrzeuge, praktisch nicht zu bereisen. Dazu gehören gegenwärtig Kriegsgebiete wie Libyen, Syrien und der Jemen, in Teilen auch der Irak.

Eine professionelle Vorbereitung umfasst mindestens dreierlei: Sicherheitstrainings, Risikoanalysen sowie Krisen- und Notfallplanung. Sicherheitstrainings etwa sind heute ein fester Bestandteil der Vorbereitung von Mitarbeitern, die in die Region entsendet werden. 

Darin lernen sie grundlegende Verhaltensweisen, um die eigene Sicherheit auf Reisen zu erhöhen: etwa wie man sich vor Ort unauffällig bewegt oder Gefahren frühzeitig erkennt. Weitere wichtige Themen sind das Verhalten im Falle von Unruhen, bei Terroranschlägen oder Entführungen.

Risikoanalysen erfassen und bewerten die verschiedenen Risiken für Reisende. Solche Analysen erfordern eine präzise Kenntnis des jeweiligen lokalen Kontexts und der Akteure und Dynamiken vor Ort. 

Im Idealfall sind Berater vorab vor Ort unterwegs, suchen geeignete Hotels und Quartiere, legen sichere Routen fest und identifizieren eventuelle No-go-Areas. Hinzu kommen Krisen- und Notfallpläne, die festlegen, welche Protokolle zum Beispiel im Falle einer Entführung oder einer notwendigen Evakuierung greifen.

Überwachung: das vergessene Risiko

Ein Risiko wird bei den Reisevorbereitungen für diesen neuen Nahen Osten immer wieder übersehen: das der Überwachung. Allen voran Ägypten und Saudi-Arabien instrumentalisieren Antiterrorgesetze, um sich unliebsamer Kritiker, Oppositioneller und sonstiger Feinde zu entledigen. Die Überwachung betrifft jedoch auch Reisende und Expats.

Besonders gefährdet sind Berufsgruppen, zu deren Aufgaben auch das Sammeln von Informationen gehört. Dazu zählen Forscher und Wissenschaftler, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und politischen Stiftungen sowie Journalisten. 

In den von zunehmender Paranoia beherrschten Überwachungsstaaten ist jeder potenziell der Spionage verdächtig, der Informationen sammelt oder sich zu sehr für das Innenleben von Ministerien und anderen staatlichen Einrichtungen interessiert.

Die Ermordung des italienischen Studenten Giulio Regeni 2016 in Ägypten hat gezeigt, wie weit diese Regimes gehen. Regeni hatte zum Thema Gewerkschaften geforscht, verschwand dann spurlos und wurde später tot aufgefunden. Sein Körper war von zahlreichen Folterspuren gezeichnet.

Das ist der neue Nahe Osten: instabil, volatil und befreit von den letzten Spuren des »alten Orients«, dem man als Reisender vor zwanzig Jahren hier und da noch begegnen konnte. 

Es ist eine Welt voller Risiken und voller Unwägbarkeiten, was aber auch bedeutet: voller möglicher Zukunftsszenarien. Das böte viel Stoff für neue Abenteuerbücher. Karl May wäre begeistert.

 

Dieser Text ist zuerst in der Jubiläumsausgabe (Print) der Zenith erschienen. Hier können Sie die Ausgabe bestellen. Ich habe den Text für den Blog leicht überarbeitet.

 

Foto: (c) Florian Peil

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Hogra – Wurzel politischer Instabilität in Nordafrika https://www.florianpeil.de/blog/hogra-wurzel-politischer-instabilitaet-in-nordafrika/ https://www.florianpeil.de/blog/hogra-wurzel-politischer-instabilitaet-in-nordafrika/#comments Thu, 22 Nov 2018 06:20:00 +0000 Nahost & Nordafrika https://www.florianpeil.de/blog/hogra-wurzel-politischer-instabilitaet-in-nordafrika/ Weiterlesen

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In Nordafrika gärt es. Viele Menschen in Algerien, Marokko und Tunesien sind von einer tiefen, verzweifelten Wut erfüllt. Diese Wut bleibt häufig still, nur vereinzelt bricht sie sich Bahn. Dann kommt es zu Unruhen, zu Demonstrationen und zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. 

Die Quelle für diese Wut nennt sich „Hogra“ (الحقرة). Das Wort stammt aus dem Algerisch-Arabischen. Es ist ein Wort, für das es keine adäquate Übersetzung in andere Sprachen gibt, ja geben kann, so die Ansicht von Soziologen und anderer Forscher aus dem Maghreb. Denn das Phänomen Hogra ist zutiefst mit den gesellschaftlichen Realitäten und dem Alltag in Nordafrika verwoben.

Hogra ist das Gefühl von Demütigung

Der Begriff Hogra beschreibt das Gefühl der willkürlichen Demütigung und Erniedrigung durch oft korrupte Staatsvertreter, insbesondere der Polizei. Hogra, das ist das Gefühl, der eigenen Menschenwürde beraubt zu werden; das Gefühl permanenter Unterdrückung, Verachtung und Ohnmacht. 

Hogra beschreibt den Machtmissbrauch eines korrupten Staatsapparates und einer moralisch verwahrlosten Elite, das bewusste Versagen von Respekt, die Arroganz und Verachtung gegenüber den Menschen des eigenen Landes. 

Hogra, das ist der Beamte, der ohne erkennbaren Grund die Herausgabe einer Kopie der eigenen Geburtsurkunde verweigert. Die Ablehnung von ärztlicher Behandlung aufgrund von Armut – Hogra. Die willkürlichen Festnahmen von Minderjährigen auf der Straße, auch das ist Hogra. 

Und Hogra ist das, was Mohamed Bouazizi, ein Gemüsehändler im tunesischen Sidi Bouzid, gefühlt haben dürfte, als er sich in Reaktion auf die Konfiszierung seiner Waren im Dezember 2010 selbst in Brand steckte und damit den Arabischen Frühling auslöste.

Hogra und das Risiko politischer Instabilität

Hogra ist ein fester Bestandteil von Gesellschaft und Politik in Algerien, Marokko und Tunesien. Das Phänomen macht deutlich, welche Kluft in den drei Ländern zwischen den herrschenden Eliten und den staatlichen Institutionen einerseits und der Bevölkerung andererseits existiert. Hogra ist das Bindeglied, das weite Teile der Bevölkerung zusammenschweißt. Es betrifft Alt und Jung, Männer und Frauen gleichermaßen.

Das Ausmaß und die Intensität von Hogra ist ein Indikator für die künftige politische Stabilität von Algerien, Marokko und Tunesien. Denn Hogra unterminiert fortlaufend deren Stabilität. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit künftiger Auseinandersetzungen zwischen Staat und Bevölkerung. In der Folge steigt das Risiko politischer Instabilität.

Hogra heißt (noch) nicht Aufstand

Aber: Die Existenz von Hogra allein sorgt noch nicht für einen Aufstand. Es gibt zwar immer wieder Unruhen, doch diese haben bislang nicht das Potenzial und die Wucht, um die bestehenden Verhältnisse zu verändern. 

Eine Ausweitung ist gegenwärtig unwahrscheinlich. Dafür ist die Wut (noch) nicht groß genug, die Repression durch die Polizei zu massiv. Ein weiterer Grund ist die Heterogenität der Bevölkerung. Auch wenn Hogra ein Teil der Gesellschaft ist, ist der Graben zum Beispiel zwischen gebildeter Stadtbevölkerung und armer Landbevölkerung zu breit, sind die Gemeinsamkeiten zu gering.

Algerien: Unruhen hinter der Fassade

Doch es brodelt. Am stärksten ist das in Algerien der Fall. Nahezu täglich kommt es zu Protesten und Demonstrationen. Doch nur sehr vereinzelt schaffen es diese Ereignisse in die europäischen Medien jenseits von Frankreich. Im Internet gibt es Hunderte von Videos aus Nordafrika, in denen Menschen aus ihrem Leben und ihren Erfahrungen mit Hogra berichten, die meisten davon stammen aus Algerien. Hier werden die Proteste am brutalsten unterdrückt, die Fassade jedoch zeichnet ein Bild der Stabilität.

Marokko: Relative Stabilität trotz Unzufriedenheit

Auch in Marokko ist Hogra allgegenwärtig. Für die größten Unruhen sorgte bislang der grausame Tod eines Fischhändlers im Oktober 2016. Mouhcine Fikri war zu Tode gekommen, als er versuchte, die Beschlagnahmung und Zerstörung seiner Ware durch Polizisten zu verhindern. Dabei geriet er in eine Müllpresse, die ihn zerquetschte. Der Fall Fikri löste landesweite Demonstrationen aus.

Doch Marokko ist bislang vergleichsweise geschickt mit der Unzufriedenheit seiner Bevölkerung umgegangen. Das Land ist eines der wenigen in der Region, in dem noch weitgehend sichere Verhältnisse herrschen. Die Einleitung vorsichtiger politischer Reformen löst zwar nicht die drängendsten Probleme, sie werden von der Mehrzahl der Menschen aber als Schritt in die richtige Richtung wahrgenommen. Die Marokkaner wollen diese Errungenschaften nicht aufs Spiel setzen.

Tunesien: Erfolgsgeschichte vs. Selbstverbrennungen

Auch in Tunesien ist die Unzufriedenheit groß. Die letzten heftigen Proteste hat es im Januar 2018 gegeben. Das Land gilt in Europa zwar als einzige Erfolgsgeschichte des Arabischen Frühlings, doch dies ist mehr Wunschdenken als Wirklichkeit. Hinter der Fassade des Erfolgs verbirgt sich eine eine denkbar schlechte soziale und wirtschaftliche Situation des Landes. Seit Ende 2015 gilt der Ausnahmezustand.

Immer wieder kommt es zu Selbstverbrennungen von Menschen, die zutiefst frustriert sind und auf diese Weise gegen Hogra protestieren. In Tunesien hat sich die Zahl der Selbstverbrennungen seit 2011 verdreifacht. Allein im Jahre 2016 haben sich in dem Land mit elf Millionen Einwohnern 104 Menschen selbst in Brand gesteckt – so jedenfalls lauten die Angaben des auf Verbrennungen spezialisierten Krankenhauses in Ben Arous, einem Vorort von Tunis.

Fazit

Das Phänomen Hogra ist in Algerien, Marokko und Tunesien allgegenwärtig. Diese besondere Form der Demütigung und Erniedrigung der Bevölkerung durch korrupte Staatsvertreter, die ihre Macht missbrauchen, ist fester Bestandteil der gesellschaftlichen Realität in Nordafrika. 

Das Ausmaß und die Intensität von Hogra ist ein Indikator für die künftige politische Stabilität von Algerien, Marokko und Tunesien. 

Der Druck wächst in Nordafrika, aber Hogra allein macht noch keinen Aufstand. Eine Ausweitung ist gegenwärtig nicht wahrscheinlich. Doch Hogra unterminiert zunehmend die Stabilität der Länder. In der Folge steigt das Risiko politischer Instabilität.

 

Foto: Raphael Thelen / Flickr

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Reisesicherheit: Wer für Ihre Sicherheit unterwegs verantwortlich ist https://www.florianpeil.de/blog/reisesicherheit-wer-fuer-ihre-sicherheit-verantwortlich-ist/ https://www.florianpeil.de/blog/reisesicherheit-wer-fuer-ihre-sicherheit-verantwortlich-ist/#comments Thu, 11 Oct 2018 07:52:00 +0000 Reisesicherheit https://www.florianpeil.de/blog/reisesicherheit-wer-fuer-ihre-sicherheit-verantwortlich-ist/ Weiterlesen

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Die Frage leitet viele meiner Sicherheitstrainings ein: Wer ist eigentlich für die eigene Sicherheit im Ausland und auf Reisen zuständig? 

Die Antworten der Teilnehmer reichen dabei von "Polizei" und "Botschaft" über "Arbeitgeber" bis hin zu "jeder für sich selbst".

Dabei stelle ich immer wieder einen interessanten Unterscheid fest: Die Teilnehmer mit weniger Erfahrung im Ausland sehen vor allem Polizei und Behörden in der Pflicht. Jene Teilnehmer hingegen, die über mehr Erfahrung verfügen, vor allem in Krisenregionen, pochen darauf, dass jeder Mensch für die eigene Reisesicherheit in erster Linie selbst verantwortlich ist.

Wer also ist tatsächlich für die eigene Sicherheit im Ausland und auf Reisen zuständig?

Spoiler: Sie selbst. 

Reisesicherheit beginnt mit einer Entscheidung

Sicherheit beginnt mit der eigenen inneren Haltung, dem richtigen Mindset. Reisesicherheit beginnt daher mit einer bewussten Entscheidung.  

Diese Entscheidung lautet: Sie selbst erklären sich zuständig für Ihre Sicherheit. 

Das klingt banal, aber diese Entscheidung hat aber in der Praxis weitreichende Konsequenzen. Denn diese Entscheidung verändert Ihr Mindset: Sie übernehmen ab sofort die Verantwortung. Sie sind zuständig.

Natürlich bleibt auch Ihr Arbeitgeber (Stichwort: Fürsorgepflicht) für Ihre Sicherheit auf Reisen verantwortlich. Aber Sie verlassen sich ab sofort nicht länger auf andere.

Fakt ist: Sicherheit lässt sich nur begrenzt delegieren. 

Menschen mit Erfahrung in Krisengebieten wissen das. 

Hier sind drei Gründe, warum Sie bewusst die Verantwortung für Ihre eigene Sicherheit übernehmen sollten.

Grund 01: Zahl und Ressourcen Ihrer Helfer sind begrenzt

Eine wichtige Anlaufstelle für Geschäftsreisende, Expats, für Mitarbeiter von Hilfsorganisationen oder Touristen bei Problemen im Ausland sind die Botschaften und Konsulate des eigenen Landes. Botschaften und Konsulate haben unter anderem die Aufgabe, in Not geratene Staatsangehörigen vor Ort zu unterstützen. 

Die Betonung liegt hier auf „unter anderem“. In der Praxis haben diese Institutionen eine Vielzahl von Aufgaben zu erfüllen. Daher sind die Ressourcen dieser Institutionen naturgemäß begrenzt.

Begrenzt insofern, weil nicht in allen Ländern der Welt Botschaften des eigenen Landes existieren. Das gilt auch für Deutschland. Wer als Geschäftsreisender oder Expat im Auftrag unterwegs ist, der kann mitunter auf die Unterstützung durch die Konzernsicherheit des eigenen Unternehmens zählen. 

Denn Unternehmen sind im Rahmen der Fürsorgepflicht dazu verpflichtet, für die Sicherheit der eigenen Mitarbeiter auf Reisen zu sorgen. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) kann die Aufgaben der Konzernsicherheit auch ein externer Dienstleister übernehmen, sofern keine eigenen Strukturen vorhanden sind.

Aber die Botschaft oder auch die Konzernsicherheit Ihres Unternehmens, das Risk Management Office oder Sicherheitsbüro kann Ihnen im Ausland nur sehr begrenzt helfen, wenn Sie dort im Gefängnis landen, weil Sie gegen ein Gesetz verstossen haben.

Die Polizei ist nicht überall der Freund und Helfer - im Gegenteil

Die lokalen Gesetze gelten auch für Sie; Ihre Nationalität schützt Sie nicht vor Strafe bei Drogenbesitz und anderen Aktivitäten, die vor Ort illegal sind.

Kalkulieren Sie ebenso ein, dass Botschaften und Konsulate eine Reaktionszeit benötigen. Rechnen Sie mit mehreren Stunden bis mehreren Tagen, bevor Sie tatsächlich einen offiziellen Vertreter zu Gesicht bekommen. Denn das Zuständigkeitsgebiet der jeweilen Verbindungsbeamten des Bundeskriminalamtes (BKA) kann in einigen Fällen mehrere Staaten umfassen, deren Fläche zusammengenommen größer als Europa ist. 


Polizei Demonstration


Bleiben schließlich die Polizei und andere Sicherheitskräfte vor Ort. Hier ist Skepsis angesagt, besonders in fragilen Staaten. Denn zum einen können die lokalen Sicherheitskräfte oft nur begrenzt für Ihre Sicherheit sorgen (vor Terroranschlägen oder kriminellen Übergriffen zum Beispiel), zum anderen wollen diese das meist gar nicht.

Besonders in fragilen Staaten ist die Rolle zum Beispiel der Polizei häufig vielschichtig, um es höflich auszudrücken. In vielen Ländern sind Polizisten mehr an der eigenen Bereicherung interessiert als daran, sich von einem Wildfremden unnötige Arbeit bescheren zu lassen. Das wiederum liegt meist daran, dass das monatliche Salär von Polizisten häufig sehr bescheiden ausfällt, so es denn überhaupt regelmäßig gezahlt wird. 

Statt Hilfe sind hier also lediglich weitere Probleme zu erwarten. Es gibt gute Gründe, warum die Menschen in fragilen Staaten die Polizei oft meiden wie der Teufel das Weihwasser.

Grund 02: Es verbessert Ihre Wahrnehmung für Gefahren und Risiken

Sobald Sie bewusst die Verantwortung für Ihre eigene Sicherheit und damit für Ihre eigenen Handlungen übernehmen, ändert sich die eigene Haltung. Sie fangen an, bewusst auf Ihre Umgebung zu achten, um mögliche Gefahren frühzeitig erkennen und darauf reagieren zu können. 

Dieser bewusste Schritt fällt vielen Westeuropäern mit wenig Reiseerfahrung häufig schwer. Denn er bedeutet einen Paradigmenwechsel, eine fundamentale Veränderung. Und diese ist unbequem, weil sie die Menschen aus der eigenen Komfortzone zwingt. Statt die eigene Aufmerksamkeit auf Sehenswürdigkeiten, Landschaften oder die Hotelbar zu richten, sollen sie auf einmal ihre Umgebung scannen, ob sich Kriminelle heranpirschen. Das empfinden die meisten Menschen zunächst als unangenehm. 

Der Grund, warum dieser Wechsel gerade vielen Menschen aus Westeuropa so schwer fällt: Sehr viele Menschen in Westeuropa haben eine unzureichende Wahrnehmung von Gefahren und Risiken. Das wiederum hat mit der eigenen Sozialisiation zu tun, in der es offensichtlich kaum Berührungspunkte mit Gefahr und Risiken gab und der Staat durch seine Sicherheitsorgane alles immer irgendwie geregelt hat. 

Vollkasko trübt die Wahrnehmung

Deutschland ist ein gutes Beispiel für ein Land mit einer Vollkasko-Mentalität: Für jeden Fall und Notfall gibt es irgendeine Behörde, Gewerkschaft, Bank oder Versicherung, die sich für zuständig erklärt. Und viele Menschen nehmen das gerne in Anspruch. Es ist bequem und gibt ein Gefühl der Sicherheit. 

Der Nachteil ist eine schleichende Entmündigung. Ein solches Klima fördert Naivität und Nachlässigkeit im Umgang mit Gefahr und Risiken und erschwert das Leben und Reisen in Ländern mit weniger Ordnung und Regelungen deutlich.

Die Bereitschaft, Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen, steigt in der Regel mit zunehmender Reiseerfahrung, vor allem in jenen Ländern ohne funktionierende Herrschaft des Rechts. Es ist ein Prozess der Anpassung an die Realitäten anderswo.

Grund 03: Reality check – Sie müssen die Realitäten im Zielland akzeptieren

Die Realitäten vor Ort im Zielland unterscheiden sich mitunter fundamental von den Verhältnissen zuhause. Anders gesagt: Was in Deutschland, Österreich oder der Schweiz gilt, das hat deswegen nicht auch Gültigkeit in Mauretanien oder in Pakistan. 

Das klingt banal. Der Punkt ist: Es fällt vielen Menschen schwer, diese Andersartigkeit nicht nur zu erkennen, sondern auch zu akzeptieren und das eigene Verhalten darauf einzustellen.

In meinen Sicherheitstrainings erlebe ich es immer wieder, dass Teilnehmer Schwierigkeiten damit haben, die Realitäten in einem spezifischen Land zu akzeptieren. Sie sehen, was sie sehen wollen. Sie wollen nicht sehen, was ist. 

So werden Risiken ignoriert, Realitäten umgedeutet, wenn es nicht in das eigene Weltbild passt. Das hat in einigen Fällen mit fehlender interkultureller Kompetenz zu tun. In vielen Fällen hat es jedoch um den Reisenden mit seinen Wünschen, Plänen und Werten zu tun. Es sagt mehr über den Reisenden aus über als das jeweilige Land und die Verhältnisse vor Ort.

Wer die Realität ignoriert, macht sich verwundbar

Das trifft in meiner Erfahrung häufig auf Touristen und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen zu. Die einen wollen oft nur die schönen Seiten eines Landes sehen. Die anderen haben oft eine Agenda, der sie verpflichtet sind und die sie mitunter davon abhält, Gefahren als solche zu benennen. 

In der Folge entstehen sogenannte blind spots, blinde Stellen in der eigenen Wahrnehmung. Diese ausgeblendeten Aspekte der Realitäten steigern jedoch die eigene Verwundbarkeit und erhöhen damit die eigenen Risiken, beispielsweise Opfer eines Raubüberfalls zu werden.

Auch dies ist eine Grundregel der Reisesicherheit: Erfassen und verstehen Sie die eigene Situation! Erkennen und akzeptieren Sie die Realitäten in Ihrem Zielland.

Fazit

Sie sind verantwortlich für Ihre eigene Sicherheit, weil Sicherheit sich nur bedingt delegieren lässt. Das richtige Mindset kann Ihre persönliche Sicherheit auf Reisen signifikant erhöhen.


Wenn Sie mehr über die das richtige Mindset auf Reisen, die Notwendigkeit Interkultureller Kompetenz oder zahlreiche andere Sicherheitstricks- und tools wissen möchten, mit denen sich die persönliche Sicherheit schnell und effektiv erhöhen lässt - dann werfen Sie doch mal einen Blick in mein Buch "Die 5 Ringe der Sicherheit".

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Wie interkulturelle Kompetenz die Reisesicherheit erhöht https://www.florianpeil.de/blog/wie-interkulturelle-kompetenz-die-reisesicherheit-erhoeht/ https://www.florianpeil.de/blog/wie-interkulturelle-kompetenz-die-reisesicherheit-erhoeht/#comments Thu, 30 Aug 2018 06:14:00 +0000 Reisesicherheit https://www.florianpeil.de/blog/wie-interkulturelle-kompetenz-die-reisesicherheit-erhoeht/ Weiterlesen

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Interkulturelle Kompetenz wird in der Sicherheitsbranche gerne als sogenanntes „weiches Thema“ belächelt. Weiches Thema im Sinne von: nicht wichtig, ohne Priorität. In der Folge wird das Thema bei der Vorbereitung von Reisenden gerne vernachlässigt. Ein Fehler.

Denn interkulturelle Kompetenz ist im Gegenteil die entscheidende Fertigkeit, welche die Reisesicherheit signifikant erhöhen kann. Das gilt beruflich wie privat, für Geschäftsreisende und Expats ebenso wie für Touristen. 

Dabei gilt der Grundsatz: Je mehr Risiken in einem Zielland existieren, desto wichtiger ist interkulturelle Kompetenz für die persönliche Sicherheit.

Für mich bedeutet interkulturelle Kompetenz, in der Lage zu sein, sich mit Angehörigen anderer Kulturen zu verständigen und erfolgreich zu kommunizieren. Dies setzt voraus, die Regeln und Werte anderer Kulturen nicht nur zu kennen, sondern auch zu verstehen, wie andere Menschen „ticken“.

Erkennen, welche Menschen eine mögliche Bedrohung darstellen

Bei Auslandsreisen können – abhängig vom Reiseziel – eine Vielzahl von Risiken auftreten. Dazu zählen zum Beispiel Naturgefahren wie Erdbeben und Krankheiten wie Malaria oder Dengue-Fieber. 

Die Risiken, mit denen Reisende am häufigsten konfrontiert sind, werden jedoch von andere Menschen verursacht. Dazu zählen vor allem Kriminalität in den unterschiedlichsten Ausprägungen, Terrorismus, Unruhen und sexuelle Belästigung. 

Es sind also in erster Linie andere Menschen, die für die Einschränkung bzw. Gefährdung der eigenen Sicherheit verantwortlich sind. Interkulturelle Kompetenz hilft dabei, frühzeitig zu erkennen, ob Menschen mir feindlich gesinnt sind und mir Böses wollen. 

Nur dann kann ich frühzeitig reagieren und Maßnahmen treffen, um der Bedrohung zu entgehen oder sie abzuwehren. Interkulturelle Kompetenz trägt somit entschieden dazu bei, die Risiken im Ausland zu reduzieren.

Um sich interkulturell kompetent verhalten zu können, muss man verstehen, wer die Menschen im Zielland sind – und wie diese ticken. Nur wer die lokalen Spielregeln vor Ort kennt, kann danach spielen. Diese „Spielregeln“ konstituieren sich aus den jeweiligen Sitten und Gebräuche, aus Werten, Normen und Tabus.

Ein Kulturschock macht verwundbar

Der kritischste Punkt einer Reise ist die Ankunft in einem bis dahin unbekannten Land sowie die Periode der ersten Eingewöhnung. 

Wer in Frankfurt am Main ins Flugzeug steigt und rund zehn Stunden später in Karachi in Pakistan landet, der ist müde und erschöpft von der Reise – und betritt mit Verlassen des Flughafens zudem eine völlig neue Welt. 

Neue Gerüche und Klänge strömen auf sie oder ihn ein, dazu die feuchtheiße Luft und dann die Menschen: viele, sehr viele Menschen. Sehr nah. Sie sehen anders aus, sie reden schnell, und alle scheinen sie etwas anzubieten oder etwas zu wollen. 

Wer ein solches Gewusel vorher noch nicht erlebt hat, der ist gänzlich überfordert von der Vielzahl der Eindrücke. Nicht selten setzt in einer solchen Situation ein Kulturschock ein; die Dosis an Fremdem und Neuem ist zu hoch, die eigene Aufmerksamkeit überfordert – und schaltet in einen Alarmmodus. In der Folge scheint mit einem Mal jeder Mensch eine potentielle Bedrohung zu sein.

In dieser Phase der ersten Anpassung an die neue Umgebung sind wir verwundbar, da wir Menschen und ihre Motivation schwerer einschätzen können als in unserer gewohnten Umgebung.

Interkulturelle Kompetenz ist Übungssache

Interkulturelle Kompetenz ist Übungssache und lässt sich nur im Zielland erwerben. Die persönliche Anwesenheit und der regelmäßige Umgang mit Menschen der jeweiligen Kultur ist notwendig. Ohne Offenheit, Neugierde und Lernbereitschaft geht es nicht. Eine theoretische Vorbereitung durch Trainings oder Bücher hilft, reicht aber nicht. Nichts ersetzt die persönliche Anwesenheit vor Ort.

Die Aufgabe im Zielland besteht nun darin, die eigene Intuition neu zu kalibrieren. Denn die funktioniert zwar (hoffentlich) zuhause, aber nicht in der Fremde. Was in Flensburg gilt, hat bereits im Bayerischen Wald nur noch beschränkte Gültigkeit. Und in Karachi bieten die bisherigen Erfahrungen gar keinen Halt mehr.

Es gilt also, die eigene Intuition auf die neue Umwelt und die neuen Verhältnisse einzustellen, und das möglichst schnell. Aber diese Kalibrierung braucht Zeit. Interkulturelle Kompetenz erwerbe ich nicht an einem Tag. Bis dahin müssen wir uns mit anderen Mitteln über Wasser halten. 


annie spratt PS8L gmzW 4 unsplash

Das Konzept von Standards und Anomalien

Hilfreich ist hierbei das in der Praxis bewährte Konzept von Standards und Anomalien, das ich bereits in meinem Blog über Low Profile kurz beschrieben habe. Das Konzept besagt, das es in jedem Land, jeder Stadt, für jede Person so etwas wie einen Standard, einen Konsens darüber gibt, was als normal gilt. 

Dieser Standard ist jenes menschliche Verhalten, das in einer bestimmten Umgebung zu einer bestimmten Zeit als alltäglich und gebräuchlich gilt. In jeder Umgebung, in der man sich bewegt, sollte man den geltenden Standard ausmachen und ihn für sich definieren. Denn auf dieser Grundlage lassen sich Abweichungen von der Norm erkennen.

Das bewusste und systematische Einsetzen dieses Konzepts schult die eigene Wahrnehmung. Es hilft, die eigenen Erfahrungen besser zu erfassen und zu verstehen.

Fakt ist: Mit jedem Tag vor Ort verbessert sich die eigene interkulturelle Kompetenz – ein wenig persönliche Offenheit und Neugierde vorausgesetzt. Nach einiger Zeit hat sich die Intuition neu kalibriert, wir handeln dann aus dem Bauch heraus „richtig“ und können erfolgreich mit Menschen kommunizieren und ihre Intentionen schneller und frühzeitiger verstehen. Rasch erkennt man, ob das Verhalten von Mitmenschen als „normal“ einzustufen ist oder von diesen Menschen eine potenzielle Bedrohung ausgeht.

Durch den Aufbau interkultureller Kompetenz erhöhen wir also gleichzeitig unsere Resilienz, unsere Widerstandsfähigkeit gegenüber Bedrohungen und Krisen.

Wer interkulturelle Kompetenz braucht (und wer nicht)

Interkulturelle Kompetenz ist umso wichtiger, je mehr Kontakt mit der lokalen Bevölkerung stattfindet und je fragiler die Verhältnisse im Land sind.

Gerade Menschen, die in fragilen Staaten und in volatile Verhältnissen leben, haben ein sehr feines Gespür für Schwingungen. Sie müssen jederzeit und möglichst frühzeitig wissen, ob von anderen Menschen Gefahr droht, wie diese einzuschätzen sind. Dies kann überlebenswichtig sein.

Faustregel: Je ländlicher die Umgebung im Zielland ist, desto größer sind die interkulturellen Unterschiede. In Großstädten und dort vor allem in geschäftlichen Kontexten verschwimmen diese Grenzen hingegen häufig. Hier ist die Bevölkerung heterogener, Menschen aus zahlreichen Ländern, Ethnien, Stämmen, Gruppen und sozialen Schichten leben hier zusammen.

Besonders wichtig ist interkulturelle Kompetenz für Expats, die für mehrere Monate oder gar Jahre in ihrem Zielland leben, sowie für NGO's und Organisationen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Ebenso für Journalisten, Wissenschaftler wie Archäologen oder Ethnologen und Reisende, die abseits der üblichen Touristenpfade und vor allem im ländlichen Raum unterwegs sind.

Sicherheit beginnt mit dem Verstehen des anderen.

Weniger wichtig ist interkulturelle Kompetenz für Geschäftsreisende mit einem beschränkten Bewegungsradius und einer kurzen Aufenthaltsdauer: Wer nur drei Tage in der Hauptstadt weilt und außer Flughafen, Hotel und Konferenzraum nichts sieht, der muss in erster Linie mit seinen Geschäftspartnern zurechtkommen. 

Interkulturelle Kenntnisse werden erst dann sicherheitsrelevant, wenn es zu Zwischenfällen kommt und die Geschäftsreise nicht so verläuft wie geplant: Wenn zum Beispiel das Taxi eine Panne hat und der Reisende plötzlich in einem unbekannten Stadtviertel gestrandet ist.

Auch für Ingenieure und Projektmitarbeiter, die auf sogenannten Greenfield-Anlagen mitten im Nirgendwo, fernab von Städten und Infrastruktur arbeiten, ist interkulturelle Kompetenz oft von nachrangiger Bedeutung. Selbst wenn in ihren Projekten Einheimische mitarbeiten, so obliegt die Aufsicht und Organisation meist international ausgebildeten Kräften.

Wer die Baustelle nie verlässt, für den ist es nicht so wichtig zu wissen, wie die Einheimischen ticken. Oder: Wo niemand ist, muss man auch niemanden verstehen – so lange es nicht zu Sicherheitsvorfällen kommt, die den Kontakt mit der lokalen Bevölkerung unausweichlich machen. In diesem Punkt ähneln sich Baustellen und Pauschaltouristen – beide verlassen nur selten das ihnen zugewiesene Areal.

Fazit

Interkulturelle Kompetenz ist die zentrale Fähigkeit, die dazu beiträgt, die eigene Sicherheit auf Reisen signifikant zu erhöhen. Nur wer versteht, wie seine Mitmenschen ticken und was sie antreibt, kann ihr Verhalten einschätzen und erkennen, ob sich eine Bedrohung abzeichnet oder nicht – um dann entsprechend frühzeitig handeln zu können.

Gute Reise!


Wenn Sie mehr über die die Notwendigkeit interkultureller Kompetenz, das richtige Mindset auf Reisen oder zahlreiche andere Sicherheitstricks- und tools wissen möchten, mit denen sich die persönliche Sicherheit schnell und effektiv erhöhen lässt - dann werfen Sie doch mal einen Blick in mein neues Buch "Die 5 Ringe der Sicherheit".


© Fotos: Florian Peil / Annie Spratt/Unsplash

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Low Profile: 3 Tipps, wie man unauffällig reist https://www.florianpeil.de/blog/low-profile-3-tipps-wie-man-unauffaellig-reist/ https://www.florianpeil.de/blog/low-profile-3-tipps-wie-man-unauffaellig-reist/#comments Mon, 13 Aug 2018 05:15:00 +0000 Reisesicherheit https://www.florianpeil.de/blog/low-profile-3-tipps-wie-man-unauffaellig-reist/ Weiterlesen

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Ein gängiger Ratschlag für Reisende und Expats bei der Vorbereitung auf Geschäftsreisen und Auslandseinsätze lautet, sich unterwegs „low profile“ zu verhalten. Fällt dieser Begriff zum Beispiel in einem der gängigen Sicherheitstrainings, nicken viele Teilnehmer freundlich und dann geht es weiter zum nächsten Thema.

Was mit der griffigen Phrase „Low Profile“ tatsächlich gemeint ist, ist indes kaum jemandem klar. Und das ist schade. Denn Low Profile ist ein wertvolles Werkzeug, um die persönliche Sicherheit auf Reisen zu erhöhen.  

In diesem Blog-Artikel kläre ich die folgenden Fragen:

  • Was ist Low Profile?
  • Welchen Nutzen hat Low Profile?
  • Wie funktioniert Low Profile in der Praxis?
  • Wo sind die Grenzen von Low Profile?

Was Low Profile ist

Low Profile bedeutet, sich soweit wie möglich in die jeweilige Umgebung, in den jeweiligen lokalen Kontext einzufügen, mit dem Ziel, möglichst wenig aufzufallen. Es geht darum, in der Masse unterzugehen statt herauszustechen.

Im Kern bedeutet Low Profile, sich möglichst unauffällig zu verhalten. 

Low Profile ist ein Prinzip, mit dem sich durch das eigene Verhalten die eigene Sicherheit bei Auslandsreisen effektiv erhöhen lässt. Man bleibt unter dem Radar jener Menschen, die einem nicht wohl gesonnen sind.

Der englische Begriff „Low Profile“ ist im Sicherheits- und Risikomanagement etabliert. Da im Deutschen kein adäquater Begriff existiert, verwende ich den englischen Ausdruck.

Welchen Nutzen Low Profile hat

Low Profile ist ein effektives Werkzeug, das unsere persönliche Sicherheit auf Reisen erhöht. Unauffälliges Verhalten kann zum Beispiel das Risiko krimineller Übergriffe wie Raubüberfälle oder Diebstähle verringern. 

Auf diese Weise sinkt unsere Verwundbarkeit gegenüber Bedrohungen wie Kriminalität, Terrorismus und sexueller Belästigung. Wer nicht in den Fokus von Kriminellen gerät, der wird auch nicht überfallen – schlicht, weil er nicht als potenzielles Opfer wahrgenommen wird. Damit ist Low Profile auch eine Form der Prävention. Es hilft uns dabei, in Ruhe und möglichst unbeachtet den eigenen Aktivitäten nachgehen zu können. 

Die Umsetzung des Prinzips Low Profile macht den Anwender zu einem sogenannten "harten Ziel" für potenzielle Angreifer. Harte Ziele sind – im Gegensatz zu weichen Zielen – durch Sicherheitsmaßnahmen geschützt. Wer ein hartes Ziel ist, verringert die Wahrscheinlichkeit erheblich, Ziel krimineller Angriffe oder sexueller Übergriffe zu werden. Kriminelle suchen Opfer, keine Gegner.

In diesem Kontext ist es wichtig, die Täterperspektive zu verstehen: Wer mit Raubüberfällen seinen Lebensunterhalt verdient, der will sein „Tagwerk“ mit möglichst wenig Risiko erledigen. Ein Krimineller will nicht verhaftet werden und ins Gefängnis wandern. Deshalb brauchen Kriminelle Opfer.

Wo Low Profile keinen Sinn macht: in Hochrisikoländern wie Pakistan oder Nigeria. Da erfahrungsgemäß ohnehin jeder Kriminelle oder Terrorist vor Ort ab dem Tag Ihrer Ankunft weiß, dass ein lohnenswertes Ziel in der Stadt ist, bietet Low Profile keinen Schutz.

 Hier brauchen sie das Gegenteil: „High Profile“, wie zum Beispiel gepanzerte Fahrzeuge, bewaffneter Personenschutz, Tracking-Systeme, Notfall- und Evakuierungsplanung.

Wie Low Profile in der Praxis funktioniert

Kairo im Frühjahr 2000. Ich lebte seit sechs Monaten in der Stadt, um Arabisch zu studieren, und war  zu Fuß auf dem Weg nach Hause. Auf einer der Brücken, die über den Nil führen, kam mir eine Gruppe junger Männer entgegen. Als ich an ihnen vorbeiging, sprach mich einer der Männer an und fragte mich sehr freundlich nach dem Weg zum Zoo. 

Ich erklärte ihnen kurz den Weg, dann unterhielten wir uns ein wenig. Ein anderer fragte mich, von welcher Fakultät ich sei. Wir hatten uns gegenseitig schnell als Studenten erkannt, und da ist das eine übliche Frage.

Seine nächste Frage: "Und woher kommst du?"

"Aus Deutschland".

Große Heiterkeit in der Gruppe. 

Er fragt mich wieder: "Woher kommst du wirklich?"

"Ich bin aus Deutschland", sagte ich erneut, jetzt leicht irritiert.

Nein, jetzt mal im Ernst, sag: Woher kommst du?“ 

Plötzlich verstand ich. Die Studenten nahmen mir nicht ab, dass ich aus Deutschland war – sie waren felsenfest der Überzeugung, ich sei Ägypter und müsse irgendwo aus dem Großraum Kairo stammen. 

Mich verblüffte das: In meiner eigenen Wahrnehmung sah ich nicht anders aus, als ich vor sechs Monaten nach Ägypten gekommen war. Mein Arabisch hatte sich zwar stark verbessert, aber für einen Einheimischen gehalten werden, das schien mir doch arg übertrieben. 

Zuhause angekommen, stellte ich mich prüfend vor den Spiegel. Und in der Tat: Ich hatte Turnschuhe an, wie sie auch viele junge Männer vor Ort trugen. Das Hemd, das ich trug, hatte ich vor Ort gekauft. Ich hatte eine gesunde Gesichtsfarbe und damals noch dunklere Haare. Ich konnte mich auf Arabisch verständigen, ohne sofort ins Stottern zu geraten. 

Das Wichtigste aber – und das wurde mir erst Jahre später klar – war mein Auftreten. Ich bewegte mich offenbar auf eine Art und Weise in der Stadt, die nicht darauf schließen ließ, das ich aus dem Ausland kam. 

Von Low Profile hatte ich damals noch nichts gehört. Aber für mich war diese Begegnung ein Schlüsselmoment: Ich hatte am eigenen Leib erfahren, dass und wie das Prinzip funktioniert.

Dennoch ist es in der Praxis nicht immer leicht umzusetzen. Das liegt auch daran, dass die eigenen Möglichkeiten, das eigene Profil zu reduzieren, unter- oder falsch eingeschätzt werden.

Sich unauffällig in einem fremden Land zu bewegen bedeutet nicht, dass man sich unsichtbar machen kann.

Aber das ist auch gar nicht notwendig.

Hier sind die 3 wichtigsten Tipps, wie Sie sich in einer fremden Umgebung unauffällig bewegen:

Tipp 01: Verstehen Sie den lokalen Kontext

Den lokalen Kontext zu kennen und zu verstehen ist die ultimative Voraussetzung für die Anwendung des Low-Profile-Prinzips. Erst wenn Sie wissen, wer die Menschen vor Ort sind, wie sie leben und wie sie ticken, können Sie Maßnahmen ergreifen, um das eigene Profil zu reduzieren. 

Hier hilft das Konzept von Standards und Anomalien. Demnach hat jedes Land, jede Stadt, jede Person so etwas wie einen Standard, eine Norm, einen Konsens darüber, was als normal gilt. Dieser Standard ist jenes menschliche Verhalten, das in einer bestimmten Umgebung zu einer bestimmten Zeit als alltäglich und gebräuchlich gilt.

In jeder Umgebung, in der wir uns bewegen, sollten wir einen für uns geltenden Standard definieren. Dieser Prozess geschieht meist ohnehin automatisch und unbewusst. Erst wenn wir einen Standard definiert haben, können wir systematisch Abweichungen von der Norm feststellen.

Ebenso hat jeder Ort seine besondere Atmosphäre, einen eigenen Rhythmus. Wann immer Sie an einen neuen Ort kommen, können Sie sich zum Beispiel folgende Fragen stellen, um diese Atmosphäre, den Rhythmus, seinen Standard schnell zu erfassen:

  • Wie bewegen sich die Menschen dort? Sind Sie in Eile oder gehen Sie langsam? Haben Sie Zeit für ein Schwätzchen oder geht jeder seines Weges, ohne viel Kontakt zu den Mitmenschen zu suchen?
  • Wie ist die Distanzzone zwischen den Menschen? In Westeuropa versuchen die Menschen in der Regel etwa eine Armlänge Abstand zueinander zu bewahren. In Indien oder Bangladesch ist die Distanz deutlich geringer. Sind Berührungen normal oder sind sie eher ein Tabu?
  • Wie sprechen die Menschen? Reden sie schnell und viel oder eher langsam und bedächtig?

Wenn Sie den Standard eines Ortes erfasst haben, können Sie Maßnahmen treffen, um sich dem anzupassen. Unauffällig zu sein bedeutet, sich dem jeweiligen Standard anzupassen.

Sie haben folgende Möglichkeiten, Ihr eigenes Profil durch Anpassung zu reduzieren: 

Tipp 02:  Schmuck und Kleidung anpassen

Hier gibt es Faktoren, auf die Sie Einfluss nehmen können – und andere, wo dies nicht möglich ist. 

KEINEN Einfluss haben Sie zum Beispiel auf Ihre Hautfarbe und Ihren Körperbau. 

Worauf Sie hingegen Einfluss haben, sind: Ihre Haarfarbe, Augenfarbe (getönte Kontaktlinsen), Haare und Bart (bei Männern). Finden Sie heraus, welche Frisuren die Männer und Frauen in Ihrem Zielland tragen (Stil, Länge) und wie gepflegt sie grundsätzlich sind. 

Tragen die Menschen vor Ort Schmuck? Sind Piercings, Ohr- und Nasenringe normal? Wie ist es mit Körperschmuck wie Tätowierungen und Brandings? Können Sie diese offen zur Schau stellen oder sollten Sie sie besser verdecken?

Uhren sind oftmals ebenfalls ein guter Indikator für die Herkunft eines Menschen. Prüfen Sie, ob die Menschen am Zielort überhaupt Uhren tragen. Falls nein: Legen Sie Ihre ab oder ersetzen Sie eine auffällige, teure Uhr für die Dauer Ihres Aufenthalts ggf. durch eine billige Digitaluhr. Überlegen Sie: Was sagt es über einen Menschen aus, wenn er eine teure Fliegeruhr trägt?

Auch bei der Kleidung gilt: Prüfen Sie, was die Einheimischen vor Ort tragen. Wenn Sie nicht ausschließlich geschäftlich unterwegs sind und ohnehin jeden Tag in Anzug und Krawatte oder im Kostüm herumlaufen, dann empfiehlt sich an den meisten Orten der Welt eine schlichte Kleidung in gedeckten Farben. Keine Logos, keine Aufschriften.

Schuhe haben eine besondere Bedeutung. Viele Menschen werden Sie anhand Ihrer Schuhe beurteilen. Pinke Sneaker vermitteln eine andere Aussage über Sie als Person als dies billige Lederschuhe aus einem örtlichen Geschäft tun.

Tipp 03: Auftreten und Kommunikation anpassen

Den Eindruck, den Sie aufgrund Ihres Aussehens und Ihrer Kleidung vermitteln, können Sie durch Ihr persönliches Auftreten und Ihre Art und Weise der Kommunikation beeinflussen oder relativieren. 

So kann es durchaus gelingen, dass man Sie als weißen Westeuropäer im Kongo zwar wahrnimmt, aber aufgrund Ihres angepassten Auftretens aber als „ortszugehörig“ erkennt und damit in Ruhe lässt. Sie fallen natürlich auf, aber Sie sind kein „Fremdkörper“ in der Umgebung.

Ihr Auftreten spricht Bände darüber, wie vertraut Sie mit den lokalen Sitten und Gebräuchen sind. Kennen Sie die lokalen Spielregeln?

Wie bewegen Sie sich zum Beispiel zu Fuß in der Öffentlichkeit? Wie finden Sie Ihr Ziel? Wenn Sie auffallen wollen, tragen Sie einen Reiseführer oder eine Straßenkarte in der Hand, gehen Sie möglichst langsam und bleiben an jeder Ecke stehen, um Ihre Unterlagen zu konsultieren. 

In vielen Gegenden der Welt wird es keine Minute dauern und Sie werden Gesellschaft haben. Und eventuell nicht die, die Sie gerne hätte: Menschen mit fragwürdigen Hilfsangeboten, aufdringliche Straßenhändler – und Kriminelle, die Sie als leichtes Opfer in ihrem Territorium identifiziert haben. 

Lassen Sie die Karten und Reiseführer in Ihrem Gepäck oder konsultieren Sie diese nur verdeckt, an einem nichtöffentlichen Ort wie einer Toilette in einem Restaurant. Nach Möglichkeit haben Sie sich die Route bereits vorab im Kopf eingeprägt. Gehen Sie zügig und bewegen Sie sich gezielt auf ein Ziel zu. Wenn Sie einfach ziellos durch die Gegend schlendern wollen, dann vermitteln Sie zumindest nach außen hin einen zielstrebigen Eindruck.

Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg Ihres Low-Profile-Ansatzes sind Ihre Sprachkenntnisse. Sprechen Sie die vor Ort gängige Sprache? Wie gut sind Ihre Kenntnisse? Je besser Sie die jeweilige Sprache beherrschen, desto eher wird man Ihre Anwesenheit als „normal“  akzeptieren. 

Wie gehen Sie mit aggressiven Straßenhändlern und Bettlern um? Treten Sie entschlossen auf und setzen Grenzen – oder sind Sie schüchtern und zurückhaltend, weil Sie die lokalen Spielregeln noch nicht kennen. Auch das sagt viel über Sie aus.

Seien sie sich im Klaren darüber, dass die Menschen in Regionen außerhalb klassischer Touristengegenden sich fragen, warum Sie dort sind: Welchen nachvollziehbaren Grund haben Sie, dort zu sein? Um das herauszufinden, testet man Sie, um Sie besser einschätzen und bewerten zu können. Das gilt umso mehr, je fragiler die Sicherheitslage in Ihrem Zielland ist, je chaotischer die Strukturen. 

Low Profile unterwegs zu sein heißt auch, möglichst anonym unterwegs sein. Erzählen Sie nicht jedem Fremden gleich Ihre Lebensgeschichte. Schwer einschätzbar zu sein kann dabei helfen, unauffällig unterwegs zu sein. 

Denn wenn Kriminelle und andere Menschen, die Ihnen nicht wohl gesonnen sind, nicht wissen, woran Sie bei Ihnen sind, über welche Fähigkeiten oder Kontakte vor Ort sie verfügen, wird man Sie in der Regel mit Vorsicht und Zurückhaltung behandeln und eher geneigt sein, auf Distanz zu bleiben. Denn Sie schlecht zu behandeln, könnte ja bedeuten, der eigenen Person schaden.

Fazit und Einschränkungen

Low Profile bedeutet im Kern, sich unauffällig zu bewegen und nicht oder nur wenig aufzufallen. Sie können dazu Ihr Aussehen und Ihre Kleidung verändern, Ihr Auftreten und Ihre Kommunikation anpassen. Aber Sie können sich nicht gänzlich unsichtbar machen. 

Von daher ist Ihr Spielraum mitunter schnell erreicht, je nach lokalem Kontext. Als rothaariger Westeuropäer werden Sie im Osten des Kongo immer auffallen, da können Sie sich auf den Kopf stellen. Aber sie können durch Ihre Kleidung, Ihr Auftreten und Ihre Sprachkenntnisse viel an Boden gutmachen. Werden Sie sich darüber klar, auf welche Faktoren Sie selber Einfluss nehmen können – und wo die Grenzen liegen. 

Die gute Nachricht ist: Je länger Sie an einem bestimmten Ort bleiben, desto mehr werden Sie sich anpassen. Dies geschieht unbewusst und automatisch. Daher lässt sich die Anwendung des Low-Profile-Prinzips nur vor Ort üben und verbessern. Es ist ein praktisches Thema.

Dennoch bleibt die Vorbereitung von entscheidender Bedeutung: Eine präzise Kenntnis der lokalen Verhältnisse ist die zwingend notwendige Voraussetzung, um im Ausland unauffällig reisen und arbeiten zu können. 

Wenn Sie die 3 Tipps in der Praxis anwenden, werden in Zukunft ein härteres Ziel für Kriminelle abgeben. Durch einige einfache Anpassungen haben Sie Ihre persönliche Sicherheit auf Reisen erheblich erhöht.

Viel Spaß beim Üben! 

 

Wenn Sie mehr über Low Profile oder andere Sicherheitstools wie situative Aufmerksamkeit oder den OODA-Loop wissen möchten, mit denen sich die persönliche Sicherheit schnell und effektiv erhöhen lässt - dann werfen Sie doch mal einen Blick in mein Buch "Die 5 Ringe der Sicherheit".



Foto: Pexels.

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Verhalten bei Terroranschlägen (IV): Entführungen https://www.florianpeil.de/blog/verhalten-bei-terroranschlaegen-iv-entfuehrungen/ https://www.florianpeil.de/blog/verhalten-bei-terroranschlaegen-iv-entfuehrungen/#comments Tue, 16 Jan 2018 07:30:00 +0000 Terrorismus https://www.florianpeil.de/blog/verhalten-bei-terroranschlaegen-iv-entfuehrungen/ Weiterlesen

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In Teil 4 der Serie „Verhalten bei Terroranschlägen“ geht es um das richtige Verhalten bei Entführungen.

Weitere Verhaltenstipps finden Sie in den anderen Teilen der Serie: Teil 1 (Sprengstoffanschlag), Teil 2 (Active Shooter), Teil 3 (Brandanschlag).

Entführungen und Geiselnahmen durch Terroristen sind keine Terroranschläge im herkömmlichen Sinn. Dennoch gehören sie zum Repertoire von Terroristen in aller Welt. Als taktisches Mittel können Geiselnahmen Teil komplexer Terroranschläge sein. Denn sie helfen Terroristen, eine hohe mediale Aufmerksamkeit für ihr jeweiliges politisches Anliegen zu sichern.

Beispiele für Geiselnahmen als Teil von Terroranschlägen sind die Anschläge auf das Bataclan in Paris im November 2015 oder auf die Holey Bakery in Dhaka, Bangladesch, im Juli 2016.

Grundsätzlich gilt: Entführung ist nicht gleich Entführung. Es existieren zahl­reiche Varianten, da die Motive der Täter jedes Mal andere sind. So ist beispielsweise die Grenze zwischen Krimina­lität und Terrorismus in vielen Fällen fließend. Dennoch gibt es einige Verhaltensregeln, deren Einhaltung die Wahrscheinlichkeit des Überlebens im Entführungsfall erhöht. 

Risiko einer Entführung minimieren

Vorweg: Vermeiden Sie unnötige Risiken und wählen Sie Ihre Reiseziele bewusst.

Reisen Sie nicht in Regionen mit einem hohen Entführungsrisiko, wenn Sie nicht unbedingt müssen. Wenn Sie dennoch in solche Gebiete fahren, dann informieren Sie sich vorab genau über Ihr Reiseziel und planen Sie Ihren Reiseweg entsprechend, um das Ri­siko einer Entführung zu minimieren.

Sollten Sie dennoch Opfer einer Entführung werden, hal­ten Sie sich vor Augen, dass die Kidnapper ein Interesse daran haben, Sie – zumindest für eine Weile – am Leben zu erhalten. Ihre einzige Aufgabe besteht im Überleben.

In den meisten Fällen ist Flucht keine Option. Tatsächlich versuchen nur wenige Entführte zu fliehen, weil ihnen bewusst ist, dass sie ein Fluchtversuch das Leben kosten kann.

Das geringste Risiko liegt darin, sich passiv und ko­operativ zu verhalten und nicht aufzufallen. Widersetzen Sie sich nicht Ihren Entführern und provozieren Sie keine Gewalt.

Versuchen die Entführer, mit Ihnen zu kommunizieren, vermeiden Sie direkten Augenkontakt. Antworten Sie ehr­lich auf Fragen, denn in einer Stresssituation werden Sie nicht mehr alle vermeintlich trainierten Antworten re­konstruieren können und sich stattdessen in Widersprü­che verstricken. Das kann die Aggressivität der Entführer erhöhen und Ihre Überlebenschancen mindern.

Von Anfang geht es darum, den Schock des Kontrollver­lustes durch die Entführung zu mildern und den eigenen Handlungsspielraum nach und nach auszudehnen. Ihre Reaktion auf das Geschehen wird zunächst aus Furcht, Schock und einem Gefühl der Desorientierung bestehen. Mentale Übungen, ruhiges Atmen und Meditation kön­nen hier helfen. Über die Zeit wird sich die Situation sta­bilisieren.

Verhaltensregeln für den Fall einer Entführung

Folgende Verhaltensregeln erhöhen die Wahrscheinlich­keit Ihres Überlebens:

Gewinnen Sie so viel Kontrolle wie möglich zurück. Dies umfasst Ihren Geist ebenso wie Ihren Körper. Koope­rieren Sie und befolgen Sie die Anweisungen der Entfüh­rer, aber ziehen Sie innerlich klare Grenzen in Bezug auf Ihre persönlichen Werte und Einstellungen, sodass Ihre eigene Integrität gewahrt bleibt. Machen Sie sich klar, dass nicht Sie persönlich gemeint sind, sondern dass Sie als Mittel für einen bestimmten Zweck dienen.

Beschäftigen Sie Ihr Gehirn, um Panik zu vermeiden. Bestimmen Sie, was Sie denken, indem Sie sich selbst im­mer wieder neue Aufgaben stellen: Prägen Sie sich bereits zu Beginn der Entführung die Fahrtroute ein, schätzen Sie Zeitdauer und Zeitintervalle, versuchen Sie, Geräusche wahrzunehmen und einzuordnen: Befinden Sie sich in einer Stadt oder fahren Sie hinaus aufs Land? Dies hilft nicht allein, Ihre Panik zu kontrollieren, sondern kann den Sicherheitsbehörden später auch bei der Auf­klärung helfen.

Dasselbe gilt bei der Ankunft am Ort Ihrer Gefangenschaft: Vermögen Sie festzustellen, wo genau Sie sind? Hat man Sie im Keller eingesperrt oder sind Sie auf einem Dach­boden? Wie viele Türen und Fenster gibt es? Welche Geräusche hören Sie? Wenn man Sie in ein fensterloses Verlies gesperrt hat, können Sie Wege finden, das Verstrei­chen der Zeit auch ohne Uhr und ohne Tageslicht zu messen: Wie viele Mahlzeiten gibt es? Wann wechselt die Temperatur?

Es geht um Orientierung. 

Optimismus hilft beim Überleben

Für Ihr Überleben ist es von entscheidender Bedeutung, dass Sie optimistisch bleiben. Lassen Sie sich nicht hän­gen, machen Sie sich immer wieder bewusst, dass dort draußen andere Menschen an Ihrer Befreiung arbeiten. Ihre Entführer wollen in der Regel ebenfalls, dass Sie am Leben bleiben, denn tot nützen Sie ihnen nichts mehr. Sie sind ein Tauschgegenstand, ein Mittel zum Zweck.

Aus­nahmen hiervon sind Entführungen, bei denen Geiseln durch eine medienwirksame Inszenierung ihres Todes für die terroristische Propaganda instrumentalisiert werden. Der Islamische Staat (IS) machte 2014 und 2015 vor allem durch seine überaus brutalen Videos von Enthauptungen meh­rerer Geiseln von sich reden. Ein Pilot der jordanischen Luftwaffe wurde bei lebendigem Leibe verbrannt.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für Ihr Überleben im Entführungsfall ist Selbstrespekt. Zeigen Sie gegen­ über Ihren Entführern nach Möglichkeit weder Traurigkeit noch Schwäche, auch wenn es gerade zu Beginn einer solchen Gefangenschaft hart ist, sich an den Kontrollver­lust und die ungewohnten Umstände zu gewöhnen. Dies wird mit der Zeit einfacher.

Fitness und Hygiene erhöhen Ihre Resilienz

Trainieren Sie Ihren Körper. Tägliche Übungen verbes­sern Ihren körperlichen Zustand. Zudem helfen sie gegen die allgegenwärtige Langeweile der Gefangenschaft und wirken sich positiv auf Ihren mentalen Zustand aus. Damit Sie in Form bleiben, müssen Sie regelmäßig essen. Lehnen Sie das Essen nicht ab, das Ihnen die Entführer geben. Sie brauchen Energie, um zu überleben. Eine even­tuelle Angst, die Entführer hätten das Essen vergiftet, ist unbegründet. Es gäbe für sie leichtere Möglichkeiten, Sie zu töten.

Achten Sie auf Ihre persönliche Hygiene. Entwickeln Sie Routinen, um den eigenen Körper zu reinigen, soweit die Umstände dies erlauben. Eine über längere Zeit un­terlassene Körperhygiene kann in extremen Klimaverhält­nissen wie Wüsten oder Urwäldern fatale Folgen haben. Zudem ist Körperpflege Ausdruck Ihres Selbstrespekts und dient der Abgrenzung: Sie wollen nicht aussehen wie Ihre Geiselnehmer. Als Mann schneiden Sie wenn möglich Ihre Haare und rasieren sich. Tragen Sie, sofern es Ihnen er­laubt ist, weiterhin Ihre eigene Kleidung als Ausdruck Ihrer eigenen Persönlichkeit.

Bauen Sie eine persönliche Beziehung zu Ihren Entführern auf – in Maßen. Ihr Ziel sollte eine kontrollierte Kooperation sein. Bewahren Sie zu Anfang Distanz und gewinnen Sie zunächst einen Eindruck von Ihren Geisel­nehmern. Versuchen Sie, die unterschiedlichen Persönlich­keiten und Charaktere einzuschätzen: Wer ist Anführer, wer Mitläufer? Wer freundlich, wer ein Sadist? Sobald Sie diesbezüglich etwas Klarheit haben, etablieren Sie vor­sichtig und gezielt den Kontakt zu ausgewählten Geisel­nehmern.

Gelingt Ihnen das, können Sie eventuell Ihren Handlungsspielraum erhöhen, erhalten mehr Essen, dür­fen häufiger auf die Toilette oder können Ihren persön­lichen Komfort auf andere Weise steigern. Außerdem fällt es (psychisch gesunden) Menschen deutlich schwerer, diejenigen zu töten, zu denen sie eine persönliche Bezie­hung aufgebaut haben. 

Entführer und Entführte: gefährliche Nähe

Bei alledem ist dennoch höchste Vorsicht geboten: Geisel und Geiselnehmer werden durch die extreme Situation und die damit verbundenen emotionalen Belastungen ungewollt zusammengeschweißt. Die Grenzen zwischen beiden Parteien können gerade bei länger andauernden Entführungssituationen verschwimmen. So kann es pas­sieren, dass Geiseln ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen und Sympathie und Verständ­nis für deren Sache entwickeln.

Dieses als »Stockholm­ Syndrom« bekannte psychologische Phänomen kann dazu führen, dass die Geiseln mit ihren Geiselnehmern koope­rieren oder diese gar gegenüber Polizei und Sicherheits­kräften zu schützen versuchen.

Im Anschluss an eine überstandene Entführung empfiehlt sich in jedem Fall eine psychologische Behandlung, um die extreme Situation bestmöglich zu verarbeiten und Folge­wirkungen möglichst zu mildern.

 

Dieser Text ist ein Auszug aus meinem Buch Terrorismus – wie wir uns schützen können.

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Verhalten bei Terroranschlägen (III): Brandanschlag https://www.florianpeil.de/blog/verhalten-bei-terroranschlaegen-iii-brandanschlag/ https://www.florianpeil.de/blog/verhalten-bei-terroranschlaegen-iii-brandanschlag/#comments Thu, 11 Jan 2018 07:48:00 +0000 Terrorismus https://www.florianpeil.de/blog/verhalten-bei-terroranschlaegen-iii-brandanschlag/ Weiterlesen

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In Teil 3 der Serie geht es um das richtige Verhalten in einer Gefahrensituation, die durch einen Brandanschlag verursacht wird.

Thema von Teil 1 war das richtige Verhalten bei einem Sprengstoffanschlag. Teil 2 der Serie beschreibt Maßnahmen, wie man die extreme Gefahrensituation eines bewaffneten Angriffs durch Active Shooter.

Prinzip: Melden - Retten - Bekämpfen

Das Handlungsprinzip bei Brandanschlägen lautet grundsätzlich: Melden – Retten – Bekämpfen. Es entspricht damit den Sofortmaßnahmen, die auch bei aus anderen Gründen entstandenen Bränden zunächst einzuleiten sind.

Sobald Sie also einen Brand feststellen, melden Sie diesen zu­erst der Feuerwehr unter der Telefonnummer 112, die glei­chermaßen für Festnetz­ und Mobilverbindungen gilt.

Machen Sie der Feuerwehr gegenüber möglichst genaue Angaben über die Brandstelle und den Umfang des Feuers. Warten Sie eventuelle Rückfragen ab, bevor Sie auflegen. 

Erst melden, dann retten

Erst im zweiten Schritt geht es um die Rettung von Men­schenleben. Warnen Sie die in dem Gebäude befindlichen Personen. Nicht jeder wird den Brandausbruch bemerkt haben. Betätigen Sie dazu einen der Feuermelder, sofern vorhanden, und binden Sie anschließend weitere Perso­nen ein, die Sie bei der Evakuierung unterstützen.

Den­ken Sie dabei an Ihren eigenen Schutz. Schließen Sie die Brandschutztüren und betätigen Sie die Rauchab­zugsklappen, falls das Gebäude darüber verfügt. Dies kann die Ausbreitung des Brandes verhindern.

Verlassen Sie den Gefahrenbereich. Tun Sie dies zügig, aber ohne in panische Eile zu verfallen. Behalten Sie stets die Kont­rolle über Ihr Handeln! Entscheidend ist das disziplinierte und geordnete Verhalten aller Personen, die sich im Ge­bäude befinden. Angst und Panik können zu unkontrol­lierten Fluchtreaktionen führen, beispielsweise indem sich die betroffenen Personen der Gefahrenzone nähern, statt sich von ihr zu entfernen.

Beruhigen Sie ängstliche Perso­nen und bringen Sie diese möglichst rasch in Sicherheit. Unterstützen Sie Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, zum Beispiel Rollstuhlfahrer, Senioren oder Kinder.

Gebückt gehen erhöht die Überlebenschancen

Folgen Sie den für den Brandfall angebrachten Hinweisschildern, die den Fluchtweg und den nächstgelegenen Ausgang so­ wie den Sammelplatz kennzeichnen. Aufzüge dürfen im Brandfall nicht benutzt werden, da das Feuer die Anlage außer Betrieb setzen kann. Aufzüge können so zu töd­lichen Fallen werden. Suchen Sie dann die Sammelplätze auf, die bei offiziellen Gebäuden für solche Situationen vorgesehen und ausgewiesen sind.

Gehen Sie nach Möglichkeit gebückt, während Sie das Ge­bäude verlassen: Rauch und Hitze steigen nach oben, er­ schweren die Atmung und können dazu führen, dass Sie ohnmächtig werden. Je stärker der Rauch, desto tiefer sollte Ihre Körperhaltung sein. Notfalls kriechen Sie nach draußen. Nutzen Sie Taschentücher oder ein Stück Stoff, das Sie sich vor den Mund halten, um weniger Rauch ein­zuatmen.

Der letzte Schritt in dieser Kette besteht in der Bekämpfung des Brandes. Handlungsanweisungen im Falle eines Brandes sind in öffentlichen Gebäuden, in Unternehmen und Fabriken rechtlich vorgeschrieben und ausgehängt. Befolgen Sie diese Anweisungen. Dabei gilt stets: Men­schenleben sind wichtiger als die Brandbekämpfung.

Bei Brandanschlag: Eigensicherung beachten!

Im Falle eines terroristischen Brandanschlags sollten Sie neben den Maßnahmen Melden – Retten – Bekämpfen besonders auf Ihre Eigensicherung achten. Bei der Eigen­sicherung geht es grundsätzlich darum, die Situation mög­lichst genau zu erfassen.

Nur in den seltensten Fällen wird es im Falle eines Bran­des Hinweise geben, dass es sich dabei um einen An­schlag handeln könnte. Dies könnte beispielsweise der Bericht eines Augenzeugen sein, der einen oder mehrere Täter einen Brandsatz hat werfen und anschließend flüch­ten sehen.

Sollte es entsprechende Hinweise geben oder Ihr Instinkt Sie warnen, dann seien Sie besonders vorsichtig: Weitere Brandsätze rund um das Gebäude könnten per Zeitzün­der gezündet werden. Auch eine Bedrohung durch Bomben oder Waffengewalt kann außerhalb des brennenden Gebäudes nicht ausgeschlossen werden.

Betrachten Sie also nach dem Verlassen des Gebäudes Ihre Umgebung aufmerksam und versuchen Sie festzustellen, ob Sie et­ was Ungewöhnliches bemerken, zum Beispiel Menschen, die das Gebäude beobachten, statt sich vom Brandherd zu entfernen.

Moderne Brandsätze entwickeln schnell eine sehr große Hitze und sind zugleich schwer zu löschen. Dies führt nicht nur zu hohen Sachschäden, sondern erfordert auch besondere Schnelligkeit beim Anwenden der Sofortmaß­nahmen Melden – Retten – Bekämpfen.

2 Arten von Brandsätzen

Brandsätze teilen sich in zwei Gruppen: solche mit inten­siver Brandwirkung, die mit extrem hoher Temperatur an einer Stelle abbrennen, und solche mit einer verteilen­den Brandwirkung, die beim Aufprall zerplatzen und über eine große Fläche brennende Substanzen verteilen.

In der Regel ist das vorrangige Ziel von Brandanschlägen ein möglichst hoher Sachschaden. Ein Beispiel, wie man bereits mit einfachen Brandsätzen einen immensen Scha­den erzielen kann, ist der Anschlag auf die Berliner S­-Bahn am 28. August 2014. 

Damals warfen Linksextremisten einen Brandsatz in einen Kabelschacht der Bahn im Ber­liner Stadtteil Treptow. Mehrere Signalkabel fingen Feuer, woraufhin ein Stellwerk der Bahn ausfiel und den öffent­lichen Nahverkehr vorübergehend lahmlegte: Viele S­-Bahn-­Linien waren für drei Tage stark beeinträchtigt, Hunderttausende Pendler und Reisende waren von den Einschränkungen durch diesen Akt der Sabotage betrof­fen.

 

Dieser Text ist ein Auszug aus meinem Buch Terrorismus – wie wir uns schützen können.

 

Foto: Pexels.

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Verhalten bei Terroranschlägen (II): Active Shooter https://www.florianpeil.de/blog/verhalten-bei-terroranschlaegen-2-active-shooter/ https://www.florianpeil.de/blog/verhalten-bei-terroranschlaegen-2-active-shooter/#comments Mon, 08 Jan 2018 14:29:00 +0000 Terrorismus https://www.florianpeil.de/blog/verhalten-bei-terroranschlaegen-2-active-shooter/ Weiterlesen

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In Teil 2 der Serie „Verhalten bei Terroranschlägen“ geht es um die Handlungsoptionen für den Extremfall eines bewaffneten Angriffs durch sogenannte „Active Shooter“.

Dabei handelt es sich um einen oder mehrere Täter, der in einem begrenzten Umfeld (z.B. öffentliches Gebäude oder Nachtclub) möglichst viele Menschen zu töten versucht. 

Diese Active Shooter können sowohl Terroristen als auch Amokläufer sein. Der Begriff bezeichnet lediglich das Vorgehen, den sogenannten Modus Operandi, nicht aber die Motivation.

Anders als Sprengstoffanschläge lässt Ihnen ein Active-Shooter-Angriff unter Umständen mehr Handlungsspielraum. Entscheidend ist es, diesen zu nutzen. Je schneller Sie handeln, desto mehr Optionen bleiben Ih­nen.

Im Falle eines solchen Angriffs haben Sie grundsätzlich drei Möglichkeiten:

 

1 / Fliehen

2 / Verstecken

3 / Kämpfen

 

Fliehen

Fliehen ist bei einem bewaffneten Angriff grundsätzlich die beste Op­tion. Sobald Sie Schüsse hören, handeln Sie. Versuchen Sie zunächst, die Richtung zu identifizieren, aus der die Schüsse kommen. Bringen Sie dann, so schnell es geht, einen möglichst großen Abstand zwischen sich und den oder die Angreifer. Lassen Sie größere Gegenstände und Wertsachen zurück, die Ihnen bei der Flucht hinderlich sind. Sie können Ihren Laptop ersetzen, aber nicht Ihr Leben.

Versuchen Sie auf Ihrer Flucht, den Weg des oder der Schützen nicht zu kreuzen und nicht in seine oder ihre Schusslinie zu geraten. Sollte dies schwierig sein und es keine Möglichkeit zum Verstecken geben, bewegen Sie sich, so schnell Sie können. Eine offene, ungeschützte Fläche überqueren Sie im Zickzacklauf.

Selbst für geübte Schüt­zen ist es schwer, ein Ziel in Bewegung zu treffen. Erfahrungsgemäß konzentrieren sich Active Shooter stets auf das leichteste Ziel. Bewegen Sie sich also so viel wie möglich und suchen Sie immer wieder Deckung hinter Mauern oder massiven Ge­genständen wie Betonpfeilern, Fahrzeugen oder massiven Möbeln.

Glauben Sie nicht, was Sie im Kino sehen

Auf der Straße können Sie Zuflucht in Hausein­gängen suchen. Verlassen Sie sich nicht darauf, dass Fahr­zeuge und Möbel Schutz bei Beschuss bieten. Anders als in Kinofilmen häufig dargestellt, können Autos nur dann halbwegs verlässlich Geschosse abhalten, wenn sie ge­panzert sind.

Da dies in europäischen Ländern höchst selten der Fall ist, suchen Sie am besten Deckung hinter einer der beiden Achsen. Die Vorderachse bietet mehr Schutz, da hier noch der Motor davor liegt. Fahrzeuge und Möbel erfüllen vor allem einen Zweck als Sichtschutz.

Auf dem Weg hinaus aus der Gefahrenzone versuchen Sie, andere Menschen ebenfalls zur Flucht zu bewegen. Denn die meisten verfallen in einer solchen Situation in eine Panikstarre oder versuchen, sich als erste Reaktion zu verstecken. Vergeuden Sie indes keine Zeit damit, Men­schen, die nicht fliehen wollen, zur Flucht zu überreden. Damit bringen Sie sich selbst in Gefahr. Es geht um Sekunden.

Bleiben Sie nicht stehen, um Verwundeten zu helfen. Dies mag unmenschlich erscheinen, doch wenn aus ei­ nem Opfer unnötigerweise zwei werden, hilft dies allein den Terroristen. Auch Sicherheitskräfte, die am Tatort eintreffen, müssen die Verwundeten zunächst ignorieren. Ihr wichtigstes Ziel besteht darin, zunächst den oder die Schützen auszuschalten.

Sobald Sie sich außerhalb der direkten Gefahrenzone be­finden, rufen Sie die Polizei unter der Notrufnummer 110. Gehen Sie nicht davon aus, dass andere dies bereits getan haben. Halten Sie nach Möglichkeit Schaulustige davon ab, sich dem Ort des Anschlags zu nähern, damit diese sich nicht in Gefahr bringen. Gehen Sie immer davon aus, dass es noch weitere Schützen und auch weitere Tatorte geben könnte.

Verstecken

Sollten Sie bei einem bewaffneten Angriff nicht mehr fliehen können, verstecken Sie sich. Dies gilt etwa dann, wenn Sie sich in einem Gebäude befinden und der Schütze sich vor dem einzigen Ausgang postiert hat oder Sie sich in einem der oberen Stockwerke dieses Gebäudes aufhal­ten und die Flucht aus dem Fenster aufgrund der Höhe keine Option ist.

Suchen Sie ein geeignetes Versteck. Gut ist ein Ort, der Sie vor den Augen des Schützen verbirgt und vor Schuss­attacken abschirmt. Ungeeignet in einem Gebäude hin­ gegen wäre zum Beispiel ein Zimmer am Ende eines Flurs, das für Sie zur Falle werden kann. Befinden Sie sich in einem Bürogebäude, einem Hotel oder einer Schule, dann versuchen Sie, die Tür abzuschließen und sich mithilfe von Schränken, Tischen und Stühlen zu verbarrikadieren.

Machen Sie es dem oder den Schützen grundsätzlich so schwer wie möglich, den Raum zu betreten; im Zweifels­fall wird er weiterziehen und leichtere Opfer suchen, denn bis die Polizei eintrifft, bleibt ihm in der Regel nur wenig Zeit.

Schalten Sie das Licht in dem Raum aus und stellen Sie Ihr Telefon lautlos. Verhalten Sie sich still. Entfernen Sie sich von der Tür und den Fenstern, um aus der Schusslinie zu gelangen. Legen Sie sich flach auf den Boden und su­chen Sie Schutz hinter massivem Mauerwerk.

Sobald Sie sich versteckt haben, rufen Sie die Polizei. Ge­ben Sie Ihren Standort durch und halten Sie die Verbin­dung aufrecht, damit der Beamte am anderen Ende der Leitung Sie orten kann, sollten Sie nicht laut sprechen können.

Öffnen Sie nicht die Tür, wenn Sie sich nicht hundertpro­zentig sicher sind, dass es Polizisten oder Rettungskräfte sind, die davorstehen. Es kann vorkommen, dass Täter an die Tür klopfen und sich als Polizisten ausgeben oder aber um Hilfe rufen, um Sie auf diese Weise aus Ihrem Versteck zu locken. Prüfen Sie durch Fragen, wie viele Personen tatsächlich vor der Tür stehen: Sind es unterschiedliche Stimmen?

Die Polizei geht in solchen Situa­tionen im Team vor, sodass mindestens zwei, eher drei Personen vor der Tür stehen müssen. Vertrauen Sie in dieser Situation Ihrem Instinkt, nicht Ihrem Kopf. Sollten Sie keinen Raum finden, in dem Sie sich verste­cken können, suchen Sie einen Ort, an dem der Schütze Sie zumindest nicht sehen kann. Dies kann eine Besenkammer sein, ein Schrank oder vielleicht das Treppenhaus. Mit etwas Glück gelingt es Ihnen, die Flucht zu ergreifen, sollte der Angreifer sich wieder entfernen.

Kämpfen

Kampf ist die schlechteste, da gefährlichste Option in ei­ner Active­-Shooter­-Situation. Ohne vorheriges Training und Erfahrung im Umgang mit Gewalt ist es in der Regel keine gute Idee, einen bewaffneten Attentäter anzugreifen. Manchmal hat man jedoch keine andere Wahl. Dies gilt zum Beispiel in Zügen und in Flugzeugen, wo die Chan­cen, sich zu verstecken oder zu liehen, gering bis nicht vorhanden sind.

Wenn Flucht nicht möglich und kein Versteck in der Nähe ist, dann bleibt als letzte Möglichkeit nur, um das eigene Leben zu kämpfen – mit einer Ausnahme: Es gibt Situatio­nen, in denen Terroristen Geiseln nehmen und Sie somit eine Chance haben, von eingreifenden Sicherheitskräften ge­rettet zu werden, ehe Sie selbst kämpfen müssen.

Bei ei­nem Anschlag von Terroristen aus dem dschihadistischen Lager wie denen des Islamischen Staates (IS) oder von Al­-Qaida geht es zwar in erster Linie um das Töten möglichst vieler Menschen. Eine Geiselnahme ist dennoch möglich. Verhandlungen sind indes nicht geplant. Bei den bisheri­gen Anschlägen in Europa erfüllten die Geiseln lediglich den Zweck, die Dramatik der Situation und damit die Aufmerksamkeit der Medien zu erhöhen. So war es zum Beispiel beim Anschlag auf das Bataclan in Paris im No­vember 2015.

Wenn Sie aber erkennen, dass Ihr Leben ganz akut gefähr­det ist, dann müssen Sie kämpfen. Tatsächlich können unter glücklichen Umständen auch unbewaffnete Men­schen einen bewaffneten Attentäter ausschalten oder zu­ mindest dessen Morden verlangsamen und damit Men­schenleben retten.


Munition Patronen Hülsen

Fallbeispiel: Terroranschlag im Thalys-Zug 2015

Am 21. August 2015 stieg Ayoub El­-Khazzani in Brüssel in den Thalys-­Schnellzug nach Paris. Im Grenzgebiet zwi­schen Belgien und Frankreich begann er, mit einem Sturm­gewehr auf Passagiere zu schießen. Mehrere Reisende stürzten sich daraufhin auf den Attentäter, darunter zwei US­-Soldaten sowie ein britischer Geschäftsmann. Gemein­sam gelang es ihnen, den Angreifer zu überwältigen.

Der Brite Chris Norman sagte später im Interview, dass in dieser lebensbedrohlichen Situation seine Instinkte die Führung übernommen hätten:

»Ich dachte: Okay, ich werde vermutlich ohnehin sterben, also los. Ich wollte lieber aktiv sterben, bei dem Versuch, den Attentäter zu überwältigen, als einfach in der Ecke zu sitzen und erschossen zu werden. Entweder man sitzt und stirbt, oder man steht auf und stirbt. Mehr war es nicht.«

In Extremsituationen übernimmt der Instinkt

Das klingt martialisch, zeigt aber, dass Menschen in Ex­tremsituationen wie dieser nicht rational, sondern ins­tinktiv handeln. In einer solchen Situation übernimmt der Überlebenstrieb die Regie. Sie werden dann zu Dingen in der Lage sein, die Sie sich niemals zugetraut hätten. Vor­heriges körperliches und mentales Training können dazu beitragen, die Zeit der Entscheidung zum Handeln weiter zu verkürzen und die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs zu erhöhen.

Auch wenn Sie nicht entsprechend trainiert sind, sich aber dennoch entschließen, aktiv gegen einen bewaffneten An­greifer vorzugehen, dann kämpfen Sie mit all Ihrer Kraft und Entschlossenheit. Seien Sie so aggressiv wie mög­lich. Vermutlich geht der Attentäter nicht davon aus, dass er von Unbewaffneten angegriffen werden könnte. Da­mit haben Sie das Überraschungsmoment auf Ihrer Seite. Nutzen Sie diesen taktischen Vorteil, um den Attentäter aus dem Konzept zu bringen und ihn so langsamer zu machen. Allein damit können Sie Menschenleben retten.

Setzen Sie Gegenstände in Ihrer Reichweite als Waffe ein. Sie haben einen Laptop oder ein Tablet? Bewerfen Sie den Attentäter. In Ihrer Nähe hängt ein Feuerlöscher? Schleu­dern Sie diesen gegen den Aggressor oder besprühen Sie ihn mit Schaum. Schütten Sie ihm heißen Kaffee ins Ge­sicht. Sie haben eine Taschenlampe oder einen Laserpoin­ter? Blenden Sie den Angreifer. Seien Sie kreativ.

Kontrollieren Sie die Waffe

Bei einem Angriff auf den Attentäter muss es Ihr erstes Ziel sein, seine Waffe zu kontrollieren. Versuchen Sie, ihm diese zu entreißen. Ohne Schusswaffe kann er nicht mehr schießen. Dies verringert die Bedrohung deutlich. Wenn es nicht möglich ist, an die Waffe zu gelangen, versuchen Sie, die Schussrichtung zu kontrollieren. Setzen Sie dem Attentäter so stark zu, wie Sie können. Greifen Sie ihn dabei am besten von hinten oder von der Seite an. Da eine Schusswaffe nur in eine Richtung abgefeuert wer­ den kann, wird der Attentäter nicht in allen Fällen auf Sie schießen können.

Ist es Ihnen gelungen, den Täter zu entwaffnen, dann machen Sie ihn im nächsten Schritt kampfunfähig. Seien Sie nicht zimperlich. Beim Anschlag auf den Thalys-­Zug beispielsweise nahm einer der beiden Amerikaner das Gewehr des Attentäters und schlug damit auf ihn ein. Wie das Thalys-­Beispiel zeigt, kann der Kampf gegen ei­nen Einzeltäter erfolgreich sein. Dies gilt vor allem, wenn Sie als Team angreifen. Für einen Einzelschützen ist ein zeitgleicher Angriff durch mehrere Personen aus verschie­denen Richtungen kaum abzuwehren.

Die hier beschriebenen Prinzipien gelten auch für Atten­täter, die nicht mit Schusswaffen, sondern mit Hieb-­ und Stichwaffen ausgerüstet sind, wie etwa der Attentäter von Würzburg, der am 18. Juli 2016 in einem Regionalzug fünf Menschen verletzte, vier davon schwer. Er war mit einer Axt und einem Messer bewaffnet. Ein solcherma­ßen bewaffneter Täter ist ebenfalls hochgefährlich, aber gerade durch ein Team leichter in Schach zu halten, da er nicht aus der Distanz töten kann, sondern dazu in die di­rekte Nähe seiner Opfer gelangen muss.


Dieser Text ist ein Auszug aus meinem Buch Terrorismus – wie wir uns schützen können.


Foto: pxhere

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Verhalten bei Terroranschlägen (I): Sprengstoffanschlag https://www.florianpeil.de/blog/verhalten-bei-terroranschlaegen-1-sprengstoffanschlag/ https://www.florianpeil.de/blog/verhalten-bei-terroranschlaegen-1-sprengstoffanschlag/#comments Thu, 04 Jan 2018 14:34:00 +0000 Terrorismus https://www.florianpeil.de/blog/verhalten-bei-terroranschlaegen-1-sprengstoffanschlag/ Weiterlesen

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Wie überlebt man einen Terroranschlag? In den meisten Fällen haben Sie Handlungs­optionen, die Ihr Leben retten können. Diese unterscheiden sich jedoch von Fall zu Fall, da es verschiedene Arten von Anschlägen gibt.

In einer Blog-Serie stelle ich die gängigsten Arten von Terroranschlägen vor und zeige die wichtigsten Verhaltensweisen auf, die die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, einen solchen Anschlag zu überleben.

Teil 1 behandelt die Variante des Sprengstoffanschlags.

Die Explosion kommt plötzlich

Ein Sprengstoffanschlag kündigt sich in der Regel nicht an, sondern wird Sie plötzlich und mit einer heftigen Explo­sion überraschen. Wenn Sie unverletzt geblieben sind oder nur leichte Verletzungen erlitten haben, können die folgen­ den Verhaltensmaßnahmen Sie vor Schlimmerem bewah­ren.

1 / Gehen Sie zunächst in Deckung. Legen Sie sich flach auf den Boden und schützen Sie mit den Händen Ihren Kopf und Ihren Nacken. Ist ein Tisch oder ein anderes halbwegs stabiles Möbel in der Nähe, suchen Sie darun­ter Schutz. Sollten Regale oder Schränke in der Nähe sein, die umstürzen und Sie unter sich begraben könnten, bewe­gen Sie sich aus deren Reichweite. Wenn möglich, halten Sie Abstand zu Fenstern, Glasfronten und Deckenlampen, denn deren Splitter können Sie schwer verletzen.

2 / Zwingen Sie sich unbedingt zur Ruhe. Wenn die Bombe in Ihrer unmittelbaren Nähe detoniert ist, klingeln viel­ leicht Ihre Ohren und Sie können vorübergehend nichts mehr hören. Um Sie herum könnten Sie Schutt und Splitter, Rauch, Tote, Verletzte und Chaos wahrnehmen. Jetzt beginnt für Sie die heikle Phase, denn Sie sind noch nicht in Sicherheit und müssen raus aus der Gefahrenzone. Da­ für brauchen Sie einen klaren Kopf.

Raus aus der Gefahrenzone

3 / Verlassen Sie die Gefahrenzone. Versuchen Sie, das Zentrum der Explosion zu lokalisieren, und bewegen Sie sich dann so zügig wie möglich davon weg. Suchen Sie nach Möglichkeit einen sicheren Ort auf. Das kann zum Beispiel eine Privatwohnung sein oder auch ein kleines, unscheinbares Hotel.

Wenn Sie sich in einem Gebäude befinden, suchen Sie nach Treppenhäusern und Notausgängen oder orientieren sich in Richtung innen gelegener Räume. Fahrstühle sind tabu. Prüfen Sie Böden und Trep­pen auf Einsturzgefahr, bevor Sie sie betreten. Bei Rauch gehen Sie gebückt. Benutzen Sie weder Feuerzeuge noch Streichhölzer.

Sobald Sie im Freien sind, verlassen Sie den Ort der Explosion. Bleiben Sie nicht vor Fensterscheiben oder Glastüren stehen. Machen Sie den Weg frei für Ret­tungskräfte.

Wie man die Rettungskräfte ruft, ohne sich zu gefährden

4 / Sollte Ihnen ein Verlassen der Gefahrenzone nicht möglich sein, machen Sie die Rettungskräfte auf sich aufmerksam. Rufen Sie jedoch nicht, um keinen Staub ein­zuatmen. Machen Sie stattdessen mit Klopfzeichen auf sich aufmerksam oder benutzen Sie eine Taschenlampe, falls Sie eine bei sich tragen. Pfeifen Sie, wenn Sie können.

Hat herabfallender Schutt Sie unter sich begraben, sodass Sie sich kaum noch bewegen können, versuchen Sie den­ noch, ruhig zu bleiben, bis Rettungskräfte eintreffen. In Deutschland dauert dies in den meisten Fällen nicht län­ger als eine Viertelstunde; in Ländern ohne entsprechende Infrastruktur mitunter mehrere Stunden.

Kontrollieren Sie Ihre Atmung. Gefährlich ist vor allem der bei der Explosion aufgewirbelte Staub, den Sie nicht ein­ atmen sollten. Schützen Sie Mund und Nase daher nach Möglichkeit mit einem Stück Stoff. Atmen Sie nicht tief ein. Vermeiden Sie jede Bewegung, die weiteren Staub auf­ wirbeln könnte.

5 / Verhalten Sie sich still, wenn Sie Stimmen oder Bewegungen in Ihrer Nähe registrieren. Sie müssen zunächst sicher sein, dass es sich tatsächlich um Rettungskräfte handelt und nicht um Terroristen, die nach Überlebenden suchen, um diese möglicherweise zu exekutieren. Machen Sie erst dann auf sich aufmerksam, wenn Sie Helfer iden­tifizieren konnten.

Anderen helfen? Ja, aber….

6 / Helfen Sie anderen, sofern möglich. Wenn Sie nach der Explosion unverletzt geblieben sind, um Sie herum jedoch Tote und Verletzte liegen, könnten Sie den Impuls verspüren, in Richtung des Explosionsortes zu laufen, um anderen zu helfen. Tun Sie das besser nicht: Ihre eigene Sicherheit hat Vorrang.

Gehen Sie kein Risiko ein, das Sie nicht einschätzen kön­nen. Helfen Sie, sobald keine Gefahr mehr für Sie selbst besteht. Unterstützen Sie die Helfer, indem Sie sie zum Beispiel auf verletzte Personen aufmerksam machen. Be­wegen Sie diese nicht ohne entsprechende Anleitung durch die Rettungskräfte.

Vorsicht vor weiteren Bomben

7 / Vorsicht vor weiteren Bomben. Eine beliebte Vorge­hensweise von Dschihadisten besteht darin, am Anschlags­ort mehrere Bomben zu platzieren und zeitversetzt zu zünden. Ein Sprengsatz macht den Auftakt. 

Sobald Ret­tungs­- und Sicherheitskräfte, Schaulustige und Journa­listen am Tatort eintreffen, werden weitere Bomben ge­zündet, häufig mit weitaus größerer Sprengkraft. Oftmals sind diese an möglichen Fluchtwegen positioniert. 

Auch Autobomben sind denkbar oder Selbstmordattentäter, die sich im Chaos nach der Explosion unter die Menschen­ menge mischen. Auf diese Weise können Attentäter so­ wohl die Opferzahlen als auch die Schrecken des An­schlags potenzieren.

Suchen Sie ein sicheres Gebäude auf

Explodiert ein Sprengsatz auf der Straße, begeben Sie sich sofort in ein nahe gelegenes und sicheres Gebäude und bleiben dort, bis die Sicherheitskräfte Entwarnung geben. Ein sicheres Gebäude ist eines, das für Terroristen uninteressant ist und daher mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht angegriffen wird, zum Beispiel wenn dort kein Pu­blikumsverkehr herrscht oder das Ziel keinen Symbol­charakter hat.

Halten Sie sich fern von Menschenmengen und unge­wöhnlich parkenden Autos oder Motorrädern; an diesen könnten weitere Bomben platziert sein. Menschenmengen sind ein für Terroristen attraktives Ziel. Vertrauen Sie Ihrem Instinkt, wenn Sie inmitten vieler Menschen ein ungutes Gefühl haben, und verlassen Sie diesen Ort sofort.

8 / Führen Sie nur kurze Telefonate. Nach einem An­ schlag ist das Netz sehr wahrscheinlich überlastet, sodass Sie mit Ihrem Anruf nicht durchkommen. Nutzen Sie besser Messenger­Dienste oder SMS. Informationen über die Bedrohung können Sie zum Beispiel auch per Smartphone über das Warn- und Informationssystem Katwarn beziehen.

9 / Arrangieren Sie sich auch danach mit der Situation, denn die gewohnten Strukturen werden für eine Weile nicht funktionieren. Unmittelbar nach einem Terroran­schlag kann das Chaos regieren: Zahllose Sicherheitskräfte sind im Einsatz, Flughäfen, Bahnhöfe und Ausfallstraßen kön­nen abgeriegelt sein, die Krankenhäuser sind überlastet, Schulen und Kindergärten geschlossen. Unter Umständen werden Sie und Ihre Familie evakuiert und müssen Ihr Haus oder Ihre Wohnung vorübergehend räumen. Stel­len Sie sich mental darauf ein.

 

Dieser Text ist ein Auszug aus meinem Buch Terrorismus – wie wir uns schützen können.


Foto: Aaron Tang, Wikimedia Commons.

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Warum Terroristen Anschläge verüben https://www.florianpeil.de/blog/warum-terroristen-anschlaege-verueben/ https://www.florianpeil.de/blog/warum-terroristen-anschlaege-verueben/#comments Wed, 05 Apr 2017 12:54:00 +0000 Terrorismus https://www.florianpeil.de/blog/warum-terroristen-anschlaege-verueben/ Weiterlesen

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Was Terroristen wollen ist eines: Aufmerksamkeit. Je größer die Aufmerksamkeit nach einem Anschlag, desto erfolgreicher ist dieser aus Sicht der Terroristen. Tatsächlich verfolgen Terroristen mit einem Anschlag eine Reihe von Zielen; das Töten unschuldiger Menschen ist dabei nur ein Mittel zum Zweck.

Bereits bei der Planung eines Anschlags kalkulieren Terroristen die anschließende Berichterstattung mit ein. Aus Sicht der Terroristen bemisst sich der Erfolg eines Anschlags heutzutage vor allem an seiner medialen Verbreitung. Überspitzt formuliert: Für Terroristen ist eine breite Öffentlichkeit wichtiger als die Zahl der Opfer. 

Kleine Anschläge, große Wirkung

Denn dank der Massenmedien können auch kleine Anschläge durch eine geschickte Inszenierung eine große Wirkung entfalten. Die Verbreitung der Bilder eines Terroranschlags durch die Massenmedien ist ein essenzieller Teil des Plans und des terroristischen Kalküls: Die Terroristen wissen, dass es eine allzeit bereite Maschinerie gibt, die ihnen ihr Material bereitwillig abnimmt und verarbeitet.

Und sie wissen diese Maschinerie der Medien zu nutzen und zu manipulieren, indem sie ihre Terroranschläge mediengerecht inszenieren. Terroristen und Massenmedien leben somit in einer Symbiose. Beide profitieren voneinander, da sie die Suche nach größtmöglicher Aufmerksamkeit gemeinsam haben.

Das Dilemma der Medien

Die Medien, allen voran das Fernsehen, stecken bei der Berichterstattung über Terroranschläge in einer Zwickmühle: Einerseits haben sie die Aufgabe, ihre Leser oder Zuschauer zu informieren, und dies möglichst wahrheitsgetreu und objektiv. Auf der anderen Seite spielen sie mit den blutigen Bildern der Anschläge den Terroristen in die Hände.

Die Berichterstattung über Terroranschläge ist damit eine ständige Gratwanderung zwischen der Verpflichtung zur Information und der Gefahr, zu Erfüllungsgehilfen der Terroristen zu werden. Journalisten müssen deswegen immer wieder infrage stellen und diskutieren, ob und inwieweit sie Bilder der Anschläge zeigen, wie sie diese kommentieren und ob sie nicht die von den Terroristen gewünschten Bilder durch eigene Recherchen relativieren können.

Social Media liefern Bilder in Echtzeit

Der vollständige Verzicht auf Bilder ist eine Möglichkeit – allerdings keine, die sich beliebig wiederholen ließe. Denn wenn die Bilder in einer Berichterstattung fehlen, wandern die Zuschauer ab und suchen sich die Bilder anderswo. 

Besonders die sozialen Medien haben in vielen Bereichen die traditionellen Medien als Informationsquelle abgelöst. Denn dort gibt es Informationen in Echtzeit und ungefiltert. Gerade brutale Bilder können das Internet zeitweilig geradezu fluten. Man kann diesen Bildern kaum mehr entkommen – und dafür sind viele von uns verantwortlich.

Die Medien-Experten der Dschihadisten wissen diese Lust am Bild für sich zu nutzen. Sie sind Meister der Propaganda und haben die Inszenierung von Terroranschlägen, Enthauptungen und Hinrichtungen praktisch zu einer Kunstform erhoben. Ihre Inszenierungen sind eine Pornographie des Terrors.


Dieser Text ist ein gekürzter Auszug aus dem ersten Kapitel meines Buches Terrorismus – wie wir uns schützen können

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Was Dschihadisten antreibt: Business vs. Propaganda https://www.florianpeil.de/blog/dschihadisten-zwischen-business-und-propaganda/ https://www.florianpeil.de/blog/dschihadisten-zwischen-business-und-propaganda/#comments Mon, 10 Nov 2014 20:10:00 +0000 Terrorismus https://www.florianpeil.de/blog/dschihadisten-zwischen-business-und-propaganda/ Weiterlesen

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Edwin Dyers Leben endete am 31. Mai 2009 abends um halb sieben. Am Ende eines weiteren glühend heißen Tages in der Wüste Nordmalis nahm sein Henker eine Klinge in die Hand und trennte Dyers Kopf ab – vor den Augen dreier weiterer Geiseln. Der Tod beendete Dyers rund drei Monate währende Gefangenschaft als Geisel von Al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQIM)

Dyer musste sterben, weil er Brite war: London hatte sich geweigert, ein Lösegeld für seine Freilassung zu zahlen. Die Mitgefangenen hingegen, Deutsche und Schweizer, kamen frei: Die Regierungen beider Länder, so heißt es, hatten gemeinsam rund acht Millionen Euro Lösegeld gezahlt.

Die Entführer von AQIM hatten im Vorfeld die Freilassung des jordanischen Dschihad-Ideologen Abu Qatada gefordert, der zu jener Zeit in Großbritannien im Gefängnis saß. Der Tauschhandel kam nicht zustande. Aber damit hatten die Entführer wohl auch nicht gerechnet. Die Forderung nach Abu Qatadas Freilassung wirkte wie ein dürftig kaschierter Vorwand, um ihre eigentlichen Interessen zu verschleiern: Profit.

Edwin Dyer kam ihnen da gerade recht: Der Brite war Verhandlungsmasse, seine Enthauptung erhöhte den Druck auf die Regierungen der übrigen Geiseln und half, die Summe der Lösegelder in die Höhe zu treiben. 

Nur als toter Mann hatte Dyer einen Nutzen für die Entführer – dafür gleich einen doppelten. Denn AQIM konnte so zweifach profitieren: sich der Welt gegenüber als aufrechte Dschihadisten zu präsentieren – und Kapital aus einer ansonsten wertlosen Geisel zu schlagen.

Dschihadisten geht es auch um das Business

Dschihadisten haben mitnichten nur politische Ziele. Häufig geht es den Terroristen auch ums Geschäft. Der Profit ist oftmals heiliger als der Krieg, den die so genannten »Kämpfer auf dem Weg Gottes« führen. Und so lassen sich die Aktivitäten von Terroristen oftmals besser verstehen, wenn man sie aus einer geschäftlichen Perspektive betrachtet und nicht durch das Studium ihrer Propagandaschriften.

Entführungen sind dabei die aus ihrer Sicht optimale Schnittstelle zwischen Terrorismus und Kriminalität: Profit und Propaganda werden zugleich bedient. Diese spezielle Synthese beider Branchen wird gerne als »Gangster-Dschihadismus« bezeichnet.

Für AQIM sind Entführungen bereits seit mehr als einem Jahrzehnt von entscheidender Bedeutung für die eigene Finanzierung. Das erste Kidnapping ereignete sich im Februar 2003. Damals entführte der AQIM-Vorläufer Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf (Groupe Salafiste pour la Prédication et le Combat, GSPC) insgesamt 32 Touristen in der Sahara, die später gegen Lösegeld wieder freigelassen wurden. Eine deutsche Geisel starb während der Gefangenschaft an den Strapazen.

Seither hat allein AQIM mehr als 60 Ausländer entführt und dabei vermutlich rund 90 Millionen US-Dollar an Lösegeldern eingestrichen. Die algerische Regierung behauptete 2011 sogar, europäische Staaten hätten AQIM bis dahin etwa 150 Millionen Euro bezahlt – beinahe doppelt so viel. Seit 2008 jedenfalls sind Entführungen die entscheidende Säule der Finanzierung von AQIM.

Die Entführungsindustrie floriert

Für dieses neue Modell der Terrorfinanzierung hat der Journalist Serge Daniel den Begriff »Entführungsindustrie« geprägt. Die funktioniert wie jede Industrie nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage: So waren nur fünf Prozent der Entführten Amerikaner – die USA (ebenso wie Großbritannien) zahlen keine Lösegelder. 

Stark vertreten hingegen sind einige kleinere Staaten: die Schweiz, Österreich und Spanien. Verlässlich sind diese Angaben naturgemäß nicht. Regierungen und Unternehmen halten Lösegeldzahlungen nach Möglichkeit geheim, um potentielle Nachahmer nicht zu ermutigen. Insofern ist eine hohe Dunkelziffer anzunehmen.

Die Verschmelzung von Terrorismus und Kriminalität ist indes kein Privileg von AQIM. Momentan macht vor allem der Islamische Staat (IS) im Irak und in Syrien durch mannigfaltige kriminelle Aktivitäten zur Finanzierung des eigenen Terrors von sich reden. 

Neben dem Verkauf von Antiquitäten, der Erpressung von Schutzgeldern und der Plünderung von Banken sind es auch bei IS die Entführungen, die einen großen Teil zum Einkommen beisteuern. Die Zahl der von den Terroristen entführten Personen liegt aktuell im dreistelligen Bereich.

Trotz dieser zahlreichen kriminellen Maßnahmen zur Finanzierung des Terrors wird der »Islamische Staat« noch immer vor allem als dschihadistische Bewegung wahrgenommen. In der Tat spielt die Ideologie bei IS gewiss eine nicht zu unterschätzende Rolle. Zugleich aber stellen seine kriminellen Aktivitäten die Tätigkeiten anderer Gruppen locker in den Schatten. Manche Beobachter halten daher auch IS für eine überwiegend kriminelle Organisation; doch fällt der Vorwurf seltener als bei afrikanischen Gruppen.

Geschmuggelt werden Drogen, Waffen, Menschen

Denn gerade auf dem afrikanischen Kontinent gibt es Verbindungen, die sich zwar als Dschihad-Organisationen bezeichnen, deren Aktivitäten aber zu einem großen Teil krimineller Natur sind. Dazu gehören vor allem Boko Haram in Westafrika und Al Shabaab in Ostafrika – die beide wiederum den Kontakt zu AQIM pflegen.

Die Nordafrika-Filiale des globalen Terrornetzwerks Al-Qaida ist – zusammen mit ihren Vorgängergruppen – die Keimzelle des Jihadismus in Afrika. AQIM ist neben dem Geschäft mit Entführungen vor allem im Schmuggel aktiv: Waffen, Zigaretten und in wachsendem Maße Kokain. 

Wie hoch die Gewinne in diesem Bereich tatsächlich sind, ist unklar. Auch hier existieren keine belastbaren Zahlen. Doch nach Schätzungen auf der Basis von Hochrechnungen beschlagnahmter Drogenfunde könnten die Gewinne mehrere Millionen Euro pro Jahr betragen – bis hin zu 100 Millionen Euro.

Al-Shabaab wiederum finanziert sich hauptsächlich über den Schmuggel und die Kontrolle von Handelsrouten in und durch Ostafrika, inklusive der großen Häfen von Mombasa in Kenia und Daressalam in Tansania. Dazu gehört der Schmuggel von Menschen, Drogen, Waffen und Elfenbein. Hinzu kommt die Erpressung von Schutzgeldern.

Bei Boko Haram in Nigeria lässt sich kaum von einer dschihadistischen Organisation sprechen. Hier kommt das Geschäft vor politischen Zielen. Die Gruppe finanziert sich über eine Vielzahl von Quellen: Boko Haram dominiert den Drogenhandel in der Region und kontrolliert die meisten Schmuggelrouten in Westafrika. Hinzu kommen Plünderungen von Siedlungen und Dörfern sowie Entführungen.

Warum aber sind Dschihad-Gruppen in Afrika so stark in kriminelle Aktivitäten verstrickt? Einige Beobachter halten afrikanische Dschihadisten per se für weniger ideologisch als zum Beispiel arabische Kämpfer. Andere weisen auf die wirtschaftlichen Zwänge hin: AQIM, Al-Shabaab und Boko Haram sind weitgehend Selbstversorger – sie profitieren nur marginal von den Spenden reicher Finanziers in den Golfstaaten.


Dschihadisten nahe der Grenze Mauretanien - Mali

Dschihadisten, Kriminelle – oder »Gangster-Dschihadisten«?

Sind die Entführer und Mörder von Edwin Dyer nun Dschihadisten, die kriminell geworden sind? Oder handelt es sich bei den AQIM-Männern eher um Kriminelle, die sich hin und wieder als Terroristen betätigen? Wohl beides ist wahr und die Übergänge sind fließend. Fakt ist, dass beide Branchen, der Terrorismus und die Kriminalität, eine sich gegenseitig befruchtende Koexistenz führen: »symbiotischen Terrorismus« nennen das Forscher.

In vielen Fällen ist die Dschihad-Rhetorik nur die Tünche, die die kriminellen Aktivitäten notdürftig überdecken und dem eigenen Tun einen ehrbaren Anstrich geben soll: »Wer nur Lösegelder fordert, gilt ›nur‹ als Entführer – wer zusätzlich die Freilassung islamistischer Genossen fordert, zusätzlich als Dschihadist«, schreibt der Journalist Marc Engelhard treffend in seinem Buch »Heiliger Krieg oder heiliger Profit. Afrika als neues Schlachtfeld des internationalen Terrorismus«.

So wie die Kriminalität den Terror finanziert, so nützt auch der Terrorismus dem Geschäft: Mit einem wohlplatzierten Anschlag setzen Dschihadisten ganze Regionen unter Druck, säen Furcht und demonstrieren die Unfähigkeit der betroffenen Staaten, die Sicherheit ihrer Bürger zu garantieren. Der Terror erhält rechtsfreie Räume, wo Regierungen zu schwach sind, um sich durchzusetzen, mit dem Ziel, den eigenen illegalen Aktivitäten ungestört weiter nachgehen zu können. Er dient somit handfesten wirtschaftlichen Interessen.

Von Dschihadisten und Pseudo-Dschihadisten

Hinzu kommt, dass in der Praxis Ideologen reinen Wassers selten sind; viele Jihadisten treiben höchst weltliche Motive. So ist nicht jeder, der nominell einer solchen Gruppe angehört, zwangsläufig ein Hardcore-Dschihadist. In manchen Regionen bleibt jungen Männern manchmal keine andere Möglichkeit, als sich dschihadistischen Gruppen anzuschließen, um Geld verdienen und die Familie ernähren zu können. Im Norden Malis beispielsweise sind AQIM und affiliierte Gruppen in vielen Gebieten die einzig verbliebenen Arbeitgeber.

Nichtsdestotrotz scheint die Neigung zum Kriminellen vor allem eine Sache untergeordneter Kommandeure und lokaler Warlords zu sein, die sich den Dschihadisten vorrangig aus geschäftlichem Kalkül anschließen. So verlaufen die Trennlinien zwischen Dschihadismus und Kriminalität mitunter mitten durch die Gruppen und Netzwerke selbst: Gruppen wie AQIM oder Al-Shabaab verfügen durchaus über einen ideologischen Kern an geschulten und in erster Linie ideologisch motivierten Dschihadisten.

Doch zu den Rändern hin fransen diese Gruppen aus: Die Ideologie und die politischen Ziele des Kernpersonals werden verwässert durch die Motive der Sympathisanten und Geschäftspartner im weiteren Umfeld – häufig genug ist die Motivation eine kriminelle. Entführungen beispielsweise werden meist von Subunternehmern durchgeführt, oftmals lokalen, rein kriminellen Banden.

AQIMs interne Bruchlinien

Im Fall von AQIM verlaufen diese Bruchlinien zwischen Profit und Propaganda zwischen den Bataillonen in Nordafrika und jenen in der Sahara und der Sahelzone: Der alte Kern der Gruppe, die Führungsriege um Anführer Abdelmalik Droukdal, hat sich im Norden Algeriens, in der Kabylei, verschanzt. Sie ist seit Jahren nur noch eingeschränkt handlungsfähig. Diese Männer sind die ideologische Basis von AQIM.

Die Bataillone in der Sahara und der Sahelzone hingegen werden von Kommandeuren befehligt, die weniger als Ideologen von sich reden gemacht haben denn durch ihre Aktivitäten als gerissene Schmuggler und skrupellose Geschäftemacher. Die beiden bekanntesten sind die Algerier Mokhtar Belkmokhtar und Abdelhamid Abu Zaid.

Es ist Letzterer, der mit seinen Männern für die Entführung und Enthauptung von Edwin Dyer verantwortlich ist. Abu Zaid hat sich wohl auch deswegen AQIM angeschlossen, weil er die Dschihadisten schon seit frühen Schmugglertagen kennt und von der Verbindung profitiert. Die Geiselnahmen sind für ihn wie für Belmokhtar ein lohnendes Geschäft.

Anführer Droukdal hat schon seit Längerem keinen Einfluss mehr auf die Bataillone im Süden: Belmokhtar und Abu Zaid tun, was sie wollen. Dabei folgen sie vor allem ihrer kriminellen Neigung. Diese Strategie hat AQIM schnell zu einer der reichsten Terrorgruppen der Welt gemacht. Doch der wirtschaftliche Erfolg hat auch seine Kehrseite: Die kriminellen Aktivitäten schwächen die Glaubwürdigkeit der Organisation. AQIM wird heute mehr als kriminelle Vereinigung denn als dschihadistische Gruppe wahrgenommen.

Doch auch wenn in der Realität oftmals der Profit zählt – allein die Propaganda vermag es, den Dschihadisten neue Rekruten zu bescheren. Für vermeintlich hehre Ziele wie den Dschihad lassen sich leichter Mitstreiter gewinnen als für den Zigarettenschmuggel. Gerade brutale Videos von Enthauptungen wie der von Edwin Dyer sorgen immer wieder für frisches Personal.

Dieser Text erschien zuerst in Zenith, Ausgabe 05/2014. Sie können das Dschihad-Dossier hier herunterladen.


Fotos: Twitter / Magnus Manske (Wikimedia Commons) 

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