Der feindliche Angriffszyklus: eine kurze Einführung

Florian Peil
von Florian Peil
Der feindliche Angriffszyklus: eine kurze Einführung

Der feindliche Angriffszyklus ist ein Modell, das den Prozess zur Planung und Durchführung jeder Art von Angriff darstellt.

Wann immer Kriminelle, Terroristen, Spione oder sonstige Täter einen Überfall, einen Anschlag oder eine Operation planen und durchführen, durchlaufen sie den feindlichen Angriffszyklus (engl. hostile attack cycle).

Angriffe erfolgen also nie aus heiterem Himmel, auch wenn die Opfer solcher Taten das meist so wahrnehmen.

Das Modell zeigt, dass die Planung und Durchführung von Angriffen und Anschlägen kein mysteriöses Geheimwissen ist, sondern einem einfachen und logischen Muster folgt, das sich in fünf Phasen gliedert.

Wer also die einzelnen Tatphasen und die damit verbundenen Zwänge und Notwendigkeiten der Angreifer kennt, ist in der Lage, Tatvorbereitungen frühzeitig zu erkennen - und den feindlichen Angriffszyklus zu durchkreuzen, also bereits in der Planungsphase zu vereiteln (engl. break the cycle). Es kommt dann nicht zur Tat.

Wie also sieht der feindliche Angriffszyklus aus, und aus welchen Phasen besteht er?

Die fünf Phasen des feindlichen Angriffszyklus

Der feindliche Angriffszyklus besteht aus fünf Schritten, die zusammen eine Tat ausmachen:


  1. Auswahl des Ziels
  2. Planung und Vorbereitung
  3. Durchführung
  4. Flucht
  5. Profit
Grafik: Die 5 Phasen des feindlichen Angriffszyklus

Phase 01: Zielauswahl

In Phase 01 geht es um die Auswahl eines geeigneten Ziels. Taschendiebe suchen vielleicht nach unaufmerksamen Menschen mit Handtaschen; Terroristen prüfen infrage kommende Anschlagsziele; Spione suchen Zielpersonen, die für eine Anwerbung als menschliche Quelle geeignet erscheinen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass Täter in dieser ersten Phase der Zielauswahl immer mehrere Ziele prüfen, um dann das geeignetste auszuwählen. Dieser Schritt umfasst daher erste Aufklärungs- und Beobachtungsmaßnahmen. Die Festlegung des Ziels erfolgt im Laufe dieser initialen Phase.

Angreifer betreiben hier eine Risikoabwägung im Sinne einer Kosten-Nutzen-Rechnung: Wie lässt sich eine Tat mit dem größtmöglichen Erfolg durchführen und das Risiko gleichzeitig möglichst gering halten? Bis zu welcher Schwelle sind Risiken noch akzeptabel? 

Solche Überlegungen bestimmen Art und Umfang der Tat. Je günstiger die Kosten-Nutzen-Rechnung für die Täter ausfällt, desto gefährdeter ist ein Ziel.

Phase 02: Planung

Auf die Zielauswahl folgt Phase 02, die Planungsphase. Nun werden die operativen Details der geplanten Tat festgelegt: Ort, Zeit und Modus Operandi: das Wo, Wann, Wer und Wie.

Für Angreifer ist die Planungsphase der Zeitraum, in dem sie besonders verwundbar sind. Denn in dieser Phase klären sie das Ziel weiter auf, sammeln also Informationen. 

Die Angreifer müssen im Rahmen ihrer Aufklärung dabei physisch vor Ort sein. Anders lassen sich mögliche Schwachstellen eines Zielobjekts nicht identifizieren. 

Es geht also darum, die bestehenden Sicherheitsmaßnahmen zu erforschen, auf Schwachstellen zu prüfen und Zugänge zu einem Objekt zu identifizieren. 

Angreifer sind in der Planungsphase besonders verwundbar

Je nach Motivation müssen die Täter dabei unterschiedliche Informationen in Erfahrung zu bringen. Öko-Aktivisten, die ein riesiges Banner an der Fassade eines Unternehmens hissen wollen, benötigen dabei andere Informationen als Kriminelle, die einen nächtlichen Einbruch planen.

Schließlich gilt es, Fluchtrouten zu erkunden und - sofern nötig - sichere Unterkünfte zu organisieren. Phase 02 ist erst dann beendet, sobald die Täter alle für die Durchführung notwendigen Informationen beschafft haben und alle Vorbereitungen abgeschlossen sind.

Phase 03: Durchführung der Tat

In Phase 03 wird die Tat durchgeführt. Diese Phase endet, sobald die Angreifer ihren Überfall begangen, ihren Anschlag durchgeführt, die Zielperson erfolgreich rekrutiert haben. 

Die eigentliche Durchführung erfolgt also erst zu einem bemerkenswert späten Zeitpunkt innerhalb des feindlichen Angriffszyklus.

Phasen 04 und 05: Flucht und Profit

Phase 04 des Angriffszyklus ist die Flucht. Die Tat ist begangen, jetzt geht es für die Täter darum, schnell und unbeschadet aus der Situation herauszukommen. Bei Selbstmordattentätern in der terroristischen Variante des Angriffszyklus entfällt diese Phase.

Mit Phase 05 endet der Angriffszyklus. Dies ist die Phase, in der die Täter die Früchte ihres Handelns ernten, in der sie Profit aus ihrer Tat schlagen. 

Kriminelle machen ihre Beute zu Geld; Terroristen nutzen die Aufmerksamkeit, die sie mit ihrem Anschlag erzeugt haben, für ihre Propaganda; Spione profitieren von den Informationen, die ihnen ihre Zielperson liefert, die sie erfolgreich in einer extremistischen Organisation platzieren konnten.

Zusammenfassung

Der feindliche Angriffszyklus stellt den Prozess der Planung und Durchführung von Angriffen dar. Wer die einzelnen Phasen feindlicher Taten und die Zwänge und Notwendigkeiten der Angreifer kennt, kann frühzeitig, proaktiv und systematisch Angriffsvorbereitungen identifizieren und den feindlichen Angriffszyklus gezielt durchkreuzen.


Mehr zum feindlichen Angriffszyklus finden Sie in meinen Büchern Die 5 Ringe der Sicherheit und Terrorismus - wie wir uns schützen können; in letzterem beschreibe ich den Angriffszyklus in seiner terroristischen Variante. 


Foto: Sean Benesh / Unsplash

Florian Peil
Florian Peil
Ich bin Florian Peil. Als Sicherheitsberater und Trainer stärke ich die Abwehrkräfte von Unternehmen und schule Menschen für den souveränen Umgang mit Risiko und Gefahr. Zuvor war ich Mitarbeiter einer Sicherheitsbehörde im Bereich Terrorismusbekämpfung. Als Islamwissenschaftler bin ich Spezialist für die Region Nahost und Nordafrika.
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